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Kultur: Erregend

„Vocalise“-Finale mit „Elias“ in der Erlöserkirche

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Kaum ist der jubelnde Schlusschor verklungen, der nach einhundertvierzig Minuten ausgiebig das Lob Gottes preist, breitet sich atemlose Stille in der dicht besetzten Erlöserkirche aus. Erst allmählich löst sich die innere Anspannung, dann durchbraust anhaltender Jubel das Gotteshaus. Er dankt einer mitreißenden, dramatisch inspirierten, zwischen melodiöser Erbaulichkeit und leidenschaftlicher Erregung pendelnden Wiedergabe von Felix Mendelssohn Bartholdys „Elias“-Oratorium durch die Potsdamer Kantorei, das Neue Kammerorchester Potsdam und einem hochkarätig besetzten Solistenensemble unter der Leitung von Ud Joffe. Mit ihr findet die „Vocalise 2011“ am Wochenende ihr festliches Finale.

Das Werk geht auf einen alttestamentarischen Bericht aus dem „Buch der Könige“ zurück. Darin wird Elias als ein fanatischer Prophet beschrieben, der in der ersten Hälfte des 9. Jh. v. Chr. in Israel lebte. Die textzusammenstellerische Aufgabe übernimmt der Komponist selbst. Für den „Elias“ finde er Töne „nachahmender Empfindung und gesetzmäßiger Harmonie“, schreibt ihm Prinz Albert, Prinzgemahl von Königin Victoria, nach dem Besuch einer Aufführung widmend ins Textbuch.

Elementarkräftig geht Ud Joffe zu Werke, wenn er Dürre und Wasserfluten, Feuer und Sturm sowie die raketengleiche Himmelfahrt des Titelhelden spannungsvoll beschreibt. Bereits die anfangs geradezu drohend und dräuend erklingenden vier düsteren d-Moll-Akkorde der tiefen Blechbläser geben die Richtung von Joffes Intentionen preis. Die befehlshaberisch ausgestoßene Prophezeiung des Elias, es solle weder Tau noch Regen fallen, bevor er es denn ansagen werde, machen die Titelfigur nicht gerade sympathisch. Dafür entschädigt Bassbariton Tobias Berndt, der mit seiner kraftvollen, konturenklaren, charaktervollen Stimme einen selbstbewussten Missionar gestaltet, der selbst nicht vorm Aufruf zum Totschlag an den Baalspriestern zurückschreckt. Wie das Volk dabei manipuliert wird, sich schließlich gegen den Eiferer auflehnt und ihn wortwörtlich in die Wüste schickt (wo seine ergreifend vorgetragene, bachnahe Abschiedsklage „Es ist genug!“ anzurühren versteht): Davon singt die Potsdamer Kantorei mit beklemmender Eindringlichkeit. Des Chores tönend bewegte Klangmasse ist oft zu lautstarker, textunverständlicher Entäußerung angehalten, beherrscht aber auch Leises und Geschmeidiges, was den liedhaften Passagen zu wohlklingendem Ausdruck verhilft. Dann bestimmen Leichtkraft, Geschmeidigkeit und Differenzierungsvermögen das chorsängerische Geschehen.

Das solistische Aufgebot ist trotz kurzfristiger Einspringer auf hohem Niveau. Die Altistin Regina Jakobi begeistert mit „mütterlichen“ Klangfarben, ausgeglichenen Lagen, makelloser Technik, Gefühlsinnigkeit und Ausdrucksattacke. Der kurzfristig eingesprungene Volker Arndt erweist sich als tenoraler Glücksgriff, dessen lyrisch strömende, leicht ansprechende, kraftvoll tönende Stimme den Arien und Rezitativen des Obadjah und Ahab gestalterischen Glanz verleiht. Kurzfristig eingesprungen ist auch Sopranistin Esther Hilsberg, die u.a. als Witwe über den Tod ihres Kindes klagt. Als hilfreicher, eliasrettender Botschaftsüberbringer erweist sich immer wieder ein seraphisch singendes Engelsterzett.

Das Neue Kammerorchester weist sich durchgängig als ein leidenschaftsbewegter Mitgestalter aus, der flexibel, klangschön und ausdrucksintensiv den Absichten des Dirigenten zu folgen versteht. Peter Buske

Peter Buske

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