Von Henri Kramer: Erschöpft im Kreuzfeuer
Subway To Sally haben ihr zehntes Studio-Album aufgenommen, jetzt sehnen sie sich nach einer Auszeit
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Bodenski wirkt erschöpft. Der 43-Jährige Potsdamer sitzt im Schlagzeug-Aufnahmeraum des Horus Sound-Studios in Hannover. Hier haben Subway To Sally seit Oktober ihr neues Album „Kreuzfeuer“ eingespielt, an diesem 3. Advent soll es ein paar Journalisten erstmals vorgestellt werden. Doch zuerst hat Gitarrist Michael „Bodenski“ Boden das Wort, der hier allein die Band vertritt. Er lobt das nunmehr zehnte Studioalbum. Plötzlich aber klingt er ernst. „Wir gehen mit der Geschichte ab April ziemlich schnell auf Tour. Wenn wir das getan haben, wird die Band einen Gang runterschalten.“ Es folgt eine kurze Pause, „Wir werden runterschalten müssen“, sagt Bodenski.
Der Erfolg, aber auch das Tempo im Leben von Subway To Sally haben sich in den vergangenen zwei Jahren enorm beschleunigt. Die Akustik-Live-Platte „Nackt“ erschien 2006, es folgte eine Tournee. Mit „Bastard“ veröffentlichte die Band ein Jahr später ihr neuntes Album, das auf Platz 7 der deutschen Charts landete. Wieder folgten viele, meist ausverkaufte Live-Auftritte. Im Februar gewannen die Potsdamer den Bundesvision Song Contest von Stefan Raab. Im Sommer spielten sie auf mehreren großen Festivals. Und nun die Aufnahmen zum neuen Album, dessen Titel „Kreuzfeuer“ auch für Dauerstress stehen kann – wie der Name des ersten Songs „Aufstieg“ das Synonym für die Bandentwicklung ist.
Doch nun hat es sich erst einmal ausgerockt. „Wir müssen unsere Batterien wieder aufladen“, sagt Bodenski. Der Spaß am „Beruf“ Musiker drohe verloren zu gehen. Deswegen die von der Band beschlossene Pause für mindestens neun Monate. Um so „unseren großen Schatz zu bewahren“, wie Bodenski sagt. Er braucht diese Worte nicht erklären. Jeder weiß, dass er damit die Band meint, die sonst zu zerbrechen droht. Bodenski ist einer der Mitbegründer von Subway To Sally, spielte schon zu Schulzeiten mit Gitarrist Michael Simon zusammen. Fünf der sieben Subway-Musiker gehören zur Urbesetzung von 1990. Die Beständigkeit gilt bei den Fans als eine Erklärung der Erfolge.
Diese Beständigkeit hat dem ersten Eindruck nach auch die neue Platte, wobei von Müdigkeit oder Langweile nur selten etwas zu merken ist. Abwechslungsreicher Mittelalter-Rock kommt aus den Boxen im Horus-Studio, mit schmissigen Nummern á la „Einsam“, herzzerfetzenden Lagerfeuer-Balladen wie „Versteckt“ oder das mit bombastischem Chöre-Pathos versehenes Finale „Vater“. Ausreißer sind das überraschend leichtgängige „Besser, du rennst mit viel Pop-Dynamik und Ohrwurm-Charakter. Wesentlich sperriger fällt das akustische „Krähenkönig“ aus, mit munteren irischen Blockflöten die Rückkehr zu den Folkwurzeln von Subway. „Ich denke, es ist ein würdige Jubiläumsplatte“, sagt Bodenski. Sie habe genügend Tiefgang und sei dennoch für Partys geeignet, sie besitze harte Momente, aber auch Platz für Romantik. Das Sprachgefühl der von Metaphern durchsetzten Texte wirkt immer noch wie eine Art Minnegesang, es geht um Emotionen, große Gefühle. Genau das mögen die Fans.
„Kreuzfeuer“ ist ein Querschnitt durch das Schaffen von Subway To Sally. Wer den Mittelalter-Stil der Potsdamer bisher nicht mochte, wird das auch auf dieser Platte nicht mögen. Die Fangemeinde aber wird die Band dafür lieben und muss nicht einen zweiten „Engelskrieger“ fürchten. Dieses siebte Subway-Album brach 2003 mit den Konventionen, die für die Potsdamer bis dato bindend waren. „Engelskrieger“ bot kaum noch Mittelalter, aber viel Brachialität und verstörende Texte. Die Fans protestierten, obwohl das Album von Musik-Kritikern als mutig und gelungen gelobt wurde. Die Nachfolger „Nord Nord Ost“ und „Bastard“ hoben die Stiländerung auf, wie auf „Kreuzfeuer“ jetzt bewegten sich Subway wieder zwischen harten Gitarren, mittelalterlichen Klängen und epischem Bombast. Weiterentwicklung hört sich anders an.
„Ja“, sagt Bodenski, natürlich habe er Angst, irgendwann im eigenen Musikklischee hängen zu bleiben. Dagegen helfe nur hartes Arbeiten. Vielleicht inspiriert auch die Pause. Was er mit der freien Zeit macht? Genau scheint Michael Boden das noch nicht zu wissen. Eine Gedichtsammlung hat schon einmal herausgegeben. Vielleicht also ein Buch? „Natürlich würde ich gern wieder schreiben, aber im Moment fehlt einfach die Zeit.“ Der Mann braucht Urlaub. Eine Kreuzfeuer-Pause.
„Kreuzfeuer“ erscheint Anfang April
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