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Kultur: Es fehlte einfach das Testosteron

Beim „Ruby’s Tuesday“ im Waschhaus wurde mit Kolumbus Kill und Smoking Thompsons Rock'n'Roll auf Herzschmerz reduziert

Stand:

Der „Ruby’s Tuesday“ im Waschhaus ist definitiv eine dienstägliche Instanz, ein Garant der abendlichen Unterhaltung mitten in der Woche: ob Open Stage oder Live-Shows vorwiegend regionaler Bands. Für diesen Dienstag haben es sich die Planer vom Waschhaus etwas einfacher gemacht: Per Voting sollte entschieden werden, welche zwei Bands denn im Waschhaus zu sehen sein sollen. Dass zwei Indie-Bands das Rennen machen würden, war dabei natürlich zu erwarten. Der lockere Start, draußen sitzen, innen Happy Hour, bekam allerdings zuerst einmal eine kräftige Dusche – und zwar von oben. Während draußen das Unwetter tobte, rückte man in der stickigen Schwüle zusammen, während einige den Blick ängstlich auf die gewaltigen Blitze draußen richteten. Zeit für Mitleid, aber auch für etwas Amüsement auf Kosten derer, die sich vor so etwas fürchten.

Ganz und gar nicht bedrohlich war jedoch die erste Band des Abends: Kolumbus Kill aus Berlin hatten sich weniger der anheizenden Rockmusik verpflichtet, sondern eher dem astreinen Pop aus der – wagen wir diese Bezeichnung – Schublade „Mädchenmusik“. Handwerklich war das nicht schlecht gemacht, und das überwiegend weibliche Publikum honorierte auch die Anstrengungen; allerdings hat diese Tradition, sich mit Herzschmerz bei potenziellen Schwiegermüttern beliebt zu machen, nur äußerst selten zu nachhaltigem Erfolg geführt. Der Sänger schmachtete mit aufgeknöpftem Hemd und obligatorischer Hipster-Brille, was das Zeug hielt; eine Matthias-Schweighöfer-Kopie, der laut den butterweichen englischen Texten ganz oft das Herz gebrochen wurde. Nun muss sich eine Band jedoch zwangsläufig auf den Sänger reduzieren lassen, doch dieses Aushängeschild lenkte doch etwas zu sehr davon ab, dass die Musiker durchaus Könner waren, allen voran der Lead-Gitarrist.

Nach dieser recht netten Unterhaltung war es an der Zeit, einen Gang hochzuschalten, was den Treuenbrietzenern Smoking Thompsons stellenweise auch gelang – stellenweise. Zumindest bediente sich das Trio weniger dem Balladesken der Vorband, sondern huldigte mehr dem neuamerikanischen Radio-Punk, den Bands wie NOFX und Rancid ursprünglich gar nicht für das Radio konzipiert hatten. Irgendwie wirkten aber auch Smoking Thompsons sediert an diesem Abend, allerdings kam das Publikum genauso wenig aus der Knete. So konnte man auch der zweiten Band nur das Prädikat „ganz nett“ verleihen. Vielleicht sollte man auch hier den Herzschmerz ein wenig rausradieren, der ursprüngliche Rock’n’Roll hatte jedenfalls deutlich mehr Testosteron. Aber das scheint nicht mehr anzukommen: „Jeder von euch hat doch schon mal eine Beziehung an die Wand gefahren“, wurde da ein Song angekündigt. Ja, da geht einem doch das Herz auf.

Trotzdem muss man sich fragen, was diese Generation so retro macht, dass sie sich musikalisch immer an Elementen der Neunziger bedienen muss. Im Prinzip war alles schon einmal da, auch damals schmückten Bands wie Pearl Jam oder Red Hot Chili Peppers ihre Setlists gern mal mit der einen oder anderen Ballade. Dass dann ausgerechnet die Balladen kommerziell erfolgreich wurden, ist eine andere Geschichte – warum aber muss das Balladeske zu einem eigenen Musikstil verbraten werden? So richtig Rock’n’Roll kann man damit nämlich nicht mehr machen. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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