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Kultur: Es hätte gesamtdeutsch werden sollen

Die DEFA wäre 60 geworden. Vor 14 Jahren abgewickelt, wurde sie nun gefeiert

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Viel mehr als aller Pomp auf der Bühne verrät eine kleine Szene am Rand: Die schwangere Nadja Uhl, endlich von Fernsehkameras und Pressefotografen allein gelassen, nutzt die Ruhe der späten Stunde und plaudert mit Wolfgang Kohlhaase. Am Ende des herzlichen Gesprächs drückt die Schauspielerin dem Drehbuchautoren noch eine Einladung für die Eröffnung ihres Varietés Ende Mai in die Hand. Kohlhaase winkt ab, gern wäre er hierzu nach Potsdam kommen, doch am Tag nach der Einweihung des „Walhalla“ ist die Beerdigung von Eberhard Esche: Die DEFA stirbt weiter, die DEFA lebt fort.

Die Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag der DEFA waren also mehr als eine rauschende Gala mit 800 geladenen, durchaus prominenten, Gästen. Der Festakt am Mittwoch in der Caligarihalle im Filmpark Babelsberg wurde jedoch nicht zu einem Pandämonium der Filmgreise. Vielmehr eröffnete er einen Dialog zwischen den Generationen. Das zeigt die Wirkung, die noch heute von der 1992 im Alter von 46 Jahren abgewickelten „Deutschen Film AG“ ausgeht. Konrad Wolfs „Solo Sunny“ habe sie bereits als Kind stark beeindruckt, sagte die 34-jährige Uhl über jenen Film, für den Kohlhaase ebenso das Drehbuch schrieb wie jüngst für den die Tradition der DEFA-Milieustudien fortsetzenden „Sommer vorm Balkon“. Dass Kohlhaase zwei ihrer schönsten Rollen geschrieben habe, empfindet Uhl daher schlicht als eine Ehre.

Allein, dass Filme wie Andreas Dresens „Sommer vorm Balkon“ immer wieder Erwähnung fanden, zeigte an, dass es nicht reine Beschwörung war, was vorn auf der glamourösen Bühne gesprochen wurde. Als Helmut Morsbach, Vorstand der DEFA-Stiftung, etwa die internationale Beachtung hervorhob, die den DEFA-Filmen heute zukommt sowie das Weiterleben der Klassiker auf Video und DVD. Oder als Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck das „gesamtdeutsche Erbe“ der Filme beschwor; als Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit noch ein Bekenntnis zum gemeinsamen Zukunft beider Länder als Medienstandort abgab; als Knut Elstermann charmant durchs Programm führte und das Filmorchester Babelsberg bekannte Melodien spielte und dazu kurze Filmausschnitte an die Wand geworfen wurden.

Solch großen Tönen zum Trotz blieb die Veranstaltung viel mehr ein Fest der kleinen Begegnungen. Denn der Mythos Babelsberg verbindet. Behutsam freilich, aber auch Ost und West kommen sich bei dem Thema inzwischen näher. Zwar hatte sich etwa Klaus Wowereit schnell damit abgefunden, hier nur eine Nebenrolle zu spielen. Doch vorher klärte er die „Zonis“ (Platzeck) darüber auf, dass auch er als West-Berliner durchaus ostdeutsche Filme gesehen hat. Den restlichen Abend verbrachte der Bürgermeister dann aber doch lieber zurückgezogen an einem Tisch mit Matthias Freihof, dem Hauptdarsteller aus Heiner Carows „Coming Out“. Auch Platzeck konnte mit Roland Gräf einem ganz persönlichen Star begegnen. Gräf realisierte „Märkische Forschungen“, neben „Solo Sunny“ einer der Lieblingsstreifen des Landesvaters.

Es gab aber auch Begegnungen, auf die schon lange gewartet wurde. Der inzwischen zum Halsnasenohrenarzt avancierte „Kleine Muck“ Thomas Schmidt begegnete nun doch noch einmal einem der Gründungsväter der DEFA: Kurt Maetzig. Anfang der 50er Jahre, als Schmidt die Hauptrolle in der „Geschichte vom Kleinen Muck“ spielte, arbeitete Maetzig auf dem Studiogelände an den Thälmann-Filmen. Einmal sei ein Geschoss von deren Dreharbeiten direkt neben ein paar Komparsen des „Muck“ eingeschlagen, glücklicherweise aber niemand verletzt worden, erinnerte sich Schmidt, der in Begleitung von Peter Podehl kam. Podehl schrieb damals gemeinsam mit Wolfgang Staudte das Drehbuch zu dem bekannten Märchenfilm.

Der 95-jährige Kurt Maetzig wurde vom Publikum mit stehenden Ovationen bedacht. Er erinnerte daran, dass damals, als er die DEFA mit aus der Taufe hob, diese durchaus als gesamtdeutsches Projekt angedacht war. Obwohl sich dieser Wunsch bald ebenso zerschlug wie das Gefühl, „im Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu sein, habe er die DEFA immer als Familie gesehen. Auch Annekathrin Bürger hat eine besondere Beziehung zu Babelsberg: „Meine großen Filme habe ich hier gemacht“, so die Schauspielerin mit Blick auf ihre Rollen etwa in „Königskinder“ und „Das zweite Gleis“. Nun hoffte sie, alte „Mitstreiter“ zu treffen.

Aber nicht alle Gäste waren auf Begegnung aus. Vorwiegend in der Stille des Foyers hielt sich etwa Paul Lehmann auf. 40 Jahre lang arbeitete er als Szenograf für die DEFA, gestaltete hier in Babelsberg, aber auch in Rumänien oder Italien für Dutzende Produktionen die Kulissen. „Wir haben einfach immer versucht, gute Filme zu machen“, so Lehmann.

Moritz Reininghaus

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