zum Hauptinhalt
Staunen lassen. Mit befremdliche Verrenkungen und körperliche Höchstleistungen überraschten die Crews der internationalen Breakdance-Battle beim Kiezfest „Plattenspieler B-Seite“.

© Manfred Thomas

Kultur: Es tanzt der Kiez

Das Kiezfest „Plattenspieler B-Seite“ verwandelte die graue Platte in ein Meer voller Farben und Tanz

Stand:

Wippende Köpfe überall. Hier und dort mal eine lockere Bewegung in den Hüften und dann auch immer häufiger ein exzessiv tanzender Körper, der über die Platte schwebt. Die Platte? Ja, am vergangenen Wochenende wurde nicht auf der ganz großen Bühne getanzt, sondern auf der Platte. So wurde sie liebevoll von den Anwohnern im Stadtteil Potsdam-West genannt, dieser doch recht grau und trostlos wirkende Platz an der Ecke Haeckelstraße/Knobbelsdorffstraße. Am vergangenen Freitag und Samstag war davon allerdings nichts mehr zu sehen. Das Kiezfest Plattenspieler B-Seite verwandelte die grauen Platten in ein buntes Meer voller Farben, Tanz, Bewegung und dem wohligen Nichtstun.

Ist dem Außenstehenden das Wort Kiez meist nur als Bezeichnung von Berliner Stadtvierteln ein Begriff, schreiben die Anwohner im Kiez Potsdam-West ihr Wir-Gefühl ganz groß. So wurde, nachdem im vergangenen Jahr schon das erste Kiezfest an gleicher Stelle stattgefunden hatte, in diesem Jahr die B-Seite der Platte aufgelegt. Zwischen Wohnhäusern, Straßen, Schulen und Kitas liegt sie beinahe unscheinbar hinter Bäumen und Büschen versteckt. Die Platte, die ein Begegnungsort sein soll. Und die Menschen kamen, um einander zu begegnen.

So war schon am Freitag ein farbenfroher Haufen von Menschen unterschiedlichster Herkunft auf der Platte erschienen, um neben dem wohligen Nichtstun, wie immer wieder betont wurde, auch am bunten Programm teilzunehmen. Und es schien immer etwas los zu sein, selbst wenn sich die Tänzer auf der offenen Breakdance Bühne mal kurzzeitig eine Pause gönnten. Bei der Ausstellung von Velo Tramp „Madstop 1989-1999“ konnte eine kleine Reise in die Graffiti-Vergangenheit unternommen werden und die „mind Tour“ von Steve Bonhage zeigte nicht nur die graue Seite der Platte.

Nur ein paar Schritte entfernt stieg einem Farbgeruch in die Nase, der verriet, dass hier künstlerisches Handwerk betrieben wurde. Denn als Kunst kann man die Graffiti-Bilder durchaus bezeichnen, die am Ende des Festes die kargen weißen Platten zieren sollten. Kehrte man am Samstag zurück, schien die ganze Platte wie in mehrere Farbtöpfe getaucht worden zu seine. Grün, Blau, Gelb, Rot – aus jeder Ecke erstrahlten die Farben und verschwammen zu einem bunten Meer aus Glückseligkeit, die den Besuchern ins Gesicht geschrieben war. Zu entspannten Jazzklängen von Moyomusic fiel es schwer, nicht von einem leisen Urlaubsgefühl beschlichen zu werden.

Die am Tag zuvor noch weißen Plattenwände waren nun mal mit bunten Farben überzogen und mal in schlichtem Schwarz-Weiß gehalten. Ein kreativer Aspekt war diesen kleinen Kunstwerken auf jeden Fall nicht mehr abzusprechen. An jeder verfügbaren Stelle hatten sich die Graffiti-Künstler zu verewigen versucht, sodass sogar der Boden an so mancher Stelle als Leinwand herhalten musste. Auch wenn hier und dort teilweise mehr die Schmiererei als künstlerisches Schaffen im Vordergrund stand. Für die kleinen Künstlerinnen und Künstler, meist von oben bis unten voll bekleckst, bot sich nicht nur das Spiel mit den Farben, sondern auch vielerlei Aktivität mit Hula-Hoop-Ringen und artistisch anmutendem Hochseilbalancieren.

Nur einige Meter von dieser Ecke künstlerischen Treibens entfernt hatten sich Kindern und Vereine aus Potsdam-West schon im Vorfeld des Festivals kreativ betätigt. Unter einem Zelt versteckt zeigte ein buntes Sammelsurium verschiedener Plakate, Malereien und Zeitungsartikeln die Geschichte des Kiezes.

Ein wenig verwirrt schienen die Zuschauer nach der Aufführung der Oxymoron Dance Company. In „6 Sekunden“, die nicht ohne kleinere Pannen abliefen, blieb jedoch der Hintersinn vor allem für die zahlreichen kleineren Zuschauer verborgen.

Als Höhepunkt des Festes erwies sich dann die international besetzte Breakdance-Battle. Auf der Bühne zeigten die verschiedenen Crews befremdliche Verrenkungen und körperliche Höchstleistungen, sodass selbst sportbegeisterte Zuschauer ins Staunen gerieten. Das gekonnt wilde und zugleich kontrollierte Umherwerfen ihrer Arme und Beine regte auch die umstehenden Zuschauer, die sich am Rand der Bühne nur schwer einen Platz ergattern konnten, zum Tanzen an. Und bei den funkigen Sounds der Hip-Hop-Band The Mighty Mocambos wurde dann einfach die gesamte Platte zu einer großen bunten Tanzfläche.

Die Platte in Potsdam-West lebt. Und nun erstrahlt sie neu in all den schönen bunten Farben, die der Kiez so zu bieten hat.

Chantal Willers

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })