zum Hauptinhalt

Kultur: Es war Sommer und sie waren nackt

„Handzeichnungen“ in der Produzenten-Galerie „M“ im Luisenforum

Stand:

Der Akt, fleischlich betrachtet, kann zuweilen eine sehr flotte Angelegenheit sein. Vielleicht wegen dieser Flüchtigkeit bietet er sich besonders an, in schnellem Strich auf ein Papier gezeichnet zu werden – so wie gerade in der Galerie „M“ des Brandenburgischen Verbands Bildender Künstler (BVBK) in der Hermann-Elflein-Straße in „Handzeichnungen“ zu sehen. Die bloße Linie zieht geschwind die Blöße des Körpers nach. Die Diesseitigkeit der nackten Bewegung, aber auch die Scham, auf unbetuchte Haut schauen zu dürfen, oder wenigstens diese in der Vorstellung wach werden zu lassen, versetzen die Hand des Künstlers dabei in eine besondere Erregtheit. Spannung resultiert häufig daraus, die sich in einem Flirren, einem angedeuteten Bogen, einer Pose auf das leere Blatt hingibt.

Die „Sich Drehende“, eine dralle Splitternackte des Cottbusser Grafikers Rudolf Sittner, Jahrgang 1944, räkelt sich mit festem Strich in roter Ölkreide vor dem Betrachter. Wie wenig ist nötig, um Eros hervorzulocken. Die Striche sind leichter zu zählen als die Regungen, die sie hervorrufen. Auch Sittners „Liegende“ ist so eine signalfarbene Angelegenheit, in Mittelmeertürkis und Strandorange recken sich Fleisch und Geschlecht in den Blick und erinnern daran, welche Wonnen das Abfahren der vom Schöpfer in simpler Harmonie geschaffenen Körperlinie zuweilen bietet.

Die Torsi des Bildhauers und Grafikers Claus Lindner, in Kohlestrich mit Verwischungen ausgeführt, scheinen sich behäbig in der Sonne fort drehen zu wollen. Ihre Extremitäten lösen sich zum Bildrand auf, nur der Rumpf – Rippen und Bauchüberhang zeugen von alles anderem als Makellosigkeit – gibt seine Erdenschwere preis. Studien vielleicht für Lindners Bronzeplastiken.

Auch der bekannte Grafiker und Plakatkünstler Wolf-Dieter Pfennig ist mit Akten in der Gruppenausstellung vertreten. Wie Zilles Milieustudien, nur in blutroter Linie gezogen, sind Pfennigs Nackte beinahe Karikaturen. Der Haut in ihren Faltungen ist auch nur eine Kleidung, die der Mode der Zeit unterworfen ist.

Bernd A. Chmura glänzt einmal mehr mit seinem erotischen Witz. In seinen in Tusche gezeichneten „Wimmelbildern“, entfernt an die Formensprache von Keith Haring erinnernd, kann sich das Auge verlieren. Seltsame Figürchen und Maschinchen, kleine Würste oder UFOs, zum Teil auch mit Vermehrungswerkzeugen ausgestattet, bevölkern das Papier, das ohne Horizont angelegt ist. Der Titel OBS könnte „Ohne besonderen Sinn“ bedeuteten, denn dieses Ameisenuniversum treibt vieles, aber ohne erkennbares Ziel. Witzig und technisch herausragend.

Wohltuend nackedeilos präsentiert Johanna Strohe zwei kleine Bleistiftbögen. „Möwen in den Dünen“ und „Dünenwanderung“ sind in ihrer Rohheit und Hingeworfenheit sehr charmant. Als ob Urlaubseindrücke festzuhalten waren und sich kein Film in der Kamera befand. Ihr „Tänzer“ ist jedoch wieder unverhüllt und scheint seine Kunst erst zu erlernen.

Der Potsdamer Christian Heinze bedient sonst eher die Architektur aus Stein. Hier zeigt er die Gestaltung einer Nackten am Badestrand. Ihr frivoler Augenaufschlag und die wie idealisiert wirkenden Spitzbrüste weisen auf eine Pin-Up-Ästhetik aus vergangener Zeit.

Stephan J. Möller ist der dunkelste Vertreter der Nudistenshow. Hier ist der menschliche Ursprung wie ein Akzent in schwarzem Doppelstrich markiert, dass es keine Zweifel mehr geben kann. Der Körper als Sitz einer Seele wird unter einen existentialistischen Grauschleier gelegt. Sein schwarz-weißes Doppelbild ist – streng genommen – als Gouache auch nicht mehr unter dem Titel der Schau „Handzeichnung“ zu stellen. Das trifft zum Teil auch auf Jannulis Tembridis zu, der zum ersten Mal von der Jury des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler für eine Ausstellung ausgewählt wurde. Seine kubistisch inspirierten bunten Gemälde, „Landleben“ und „Berliner Wohnung“ betitelt, passen scheinbar weder technisch noch thematisch in diese Ausstellung. Doch womöglich sollen die Personengruppen auf dem Land und in der Stadt zeigen, dass ein Leben nach einem heißen Sommer durchaus auch angekleidet Sinn machen kann.

Bis 27. August Mi. – Fr. 11 – 17 Uhr, Sa. + So. 13 – 18 Uhr, Hermann-Elflein-Str. 18 (Luisenforum)

Matthias Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })