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Im Kreise seiner Lieben. Adolf Hitler mit Eva Braun und Hunden im Juni 1942 auf dem Berghof auf dem Obersalzberg.

©  Bundesarchiv

Kultur: „Eva Braun inszenierte Hitler als fürsorglichen Familienmenschen“

Eva Braun, die Frau an Hitlers Seite – Heike B. Görtemaker schrieb über sie eine Biografie und stellt sie in der Villa Quandt vor

Stand:

Frau Görtemaker, der britische Historiker Hugh Trevor-Roper sagte über Eva Braun, die Frau an Hitlers Seite, sie sei nur ein blasser Schatten des Führers, eine „Enttäuschung der Geschichte“ gewesen. Warum haben Sie sich trotzdem an das Projekt einer Biografie über sie gewagt?

Für mich galt es, diese Sichtweise auf Eva Braun infrage zu stellen. Denn die Beschäftigung mit ihr ist bisher sehr klischeehaft geblieben. Hitlers Name ist ja weltweit ein Symbol für Gewalt und Unmenschlichkeit, für Rassismus und Völkermord. Und Eva Brauns Name wird als Synonym für weibliche Unterwürfigkeit genutzt. In allen Biografien erscheint sie immer als eine etwas dümmliche Blondine und Hitler als Wesen ohne menschliche Regungen, regelrecht als Teufel. Aber das sind Kunstfiguren, die in der Rückschau entworfen wurden. Was aber kann man jenseits aller Legendenbildung über sie und ihre Beziehung zu Hitler wirklich sagen? Was war das eigentlich für eine Frau? Welche Motive leiteten ihr Verhalten und welche Rolle spielte sie im engsten Kreis um Hitler?

Und Sie haben Antworten auf diese Fragen gefunden?

Ja, aber lassen Sie mich erst etwas Allgemeines sagen. Die Geschichtsforschung hat sich bis in die 80er Jahre hinein nicht mit den Frauen im Nationalsozialismus beschäftigt. Es ging um Strukturen und Entwicklungen in der nationalsozialistischen Diktatur. Frauen blieben da nur Randfiguren.

Sie meinen die Frau allgemein im Nationalsozialismus?

Nein, auch die Frauen der NS–Elite. Aber viele davon, wie Emmy Göring, Magda Goebbels und auch Ilse Hess hatten eine öffentliche Funktion wahrgenommen, weil sie das Regime ja repräsentierten. Das galt nun nicht für Eva Braun. Die war ja nicht einmal in der NSDAP, also sagte man: Völlig unerheblich.

Aber ganz so unerheblich war sie dann doch nicht?

Nein, denn man kann sagen, dass sie innerhalb des privaten Kreises, dieses „inner circle“ um Hitler, mit den Jahren eine immer bedeutendere Rolle spielte. Ihre Position in diesem engsten Kreis war ab 1935 unangreifbar. Und man sieht, dass nicht wenige, die Hitlers Nähe suchten, sie hofierten.

Sogar ihr Hund soll hofiert worden sein.

Ja, diese Berichte gibt es. Aber man muss sich doch nur die einfache Frage stellen, warum sich ein Albert Speer mit Eva Braun angefreundet hat. War das nur Mitleid? Oder war das Kalkül? Und dann findet man schnell heraus, dass das sehr wohl Kalkül vom machtbewussten Speer war, weil er genau wusste, dass Annäherung an Hitler auf privater Ebene nicht zuletzt auch über Eva Braun lief.

In Ihrem Buch „Eva Braun. Leben mit Hitler“ widersprechen Sie auch der hartnäckigen These, dass Hitler im Beisein von Frauen nie über Politik geredet habe.

Ja und interessant war für mich zu beobachten, dass Eva Braun und alle, die zu diesem engsten Kreis um Hitler zählten, eben nicht lediglich passiv dabei gewesen sind. Eva Braun bewegte sich da durchaus im Rahmen ihrer Möglichkeiten. So belieferte sie beispielsweise Heinrich Hoffmann, den Leibfotografen Hitlers, bei dem sie gelernt hat, mit scheinbar privaten Bildern von Hitler. Die meisten der unzähligen Aufnahmen auch vom Berghof auf dem Obersalzberg, dem Feriendomizil Hitlers, stammen von ihr, weil sie ja in seiner Nähe war. So inszenierte sie ihn als einen fürsorglichen Familienmenschen, der er ja gar nicht war. Durch diese Bilder, die sie an Hoffmann verkaufte, wurde sie eine sehr reiche Frau. So war Eva Braun nicht allein nur Teil einer privaten Scheinidylle, wie es immer noch oft behauptet wird, sondern auch Teil der Hitler umgebenden Propagandamaschine.

Kann man dann vor diesem Hintergrund von Eva Braun als Täterin sprechen?

So weit würde ich nicht gehen. Aber zu behaupten, sie war so ahnungslos, dass sie nicht mitbekam, was um sie herum geschah, ist natürlich Quatsch. Denn man kann die private Existenz Hitlers nicht von seinem politischen Dasein trennen. Alle aus dem engsten Kreis um Hitler waren nicht nur Zeugen, sondern auch Überzeugte. Und das sieht man auch an Eva Braun, denn sie hatte durchaus eine Teilhabe an dieser NS–Diktatur.

Erstaunlich ist der Widerspruch, der sich in der Beziehung Hitler und Eva Braun aufzeigt. Auf der einen Seite wurde in der Öffentlichkeit ein NS-Frauenbild als Mutter und treusorgende Ehefrau propagiert, auf der anderen lebte der Führer in einer wilden Ehe mit einer emanzipierten, sehr eigenständigen Frau zusammen.

Das lag aber weniger an Eva Braun als an Hitler. Er war derjenige, der keine Ehe wollte. Sie hätte ihn sicherlich schon viel früher geheiratet und nicht erst einen Tag vor dem gemeinsamen Selbstmord am 30. April 1945. Denn Hitler fürchtete die Macht und die Einflussmöglichkeiten einer Ehefrau. Das war der Grund und nicht weil er mit Deutschland verheiratet war, wie es die Propaganda vermittelte. Er und Goebbels kreierten in Parteikreisen und für die Öffentlichkeit ein Einsamkeits- und Absonderungsmythos. Sie erschufen sozusagen die Kunstfigur Hitlers, die uns noch heute überall entgegen wabert. Ein Mythos, der ihn damals ja unangreifbar machen sollte. Wie er wirklich lebte, durfte natürlich nicht an die Öffentlichkeit. Auch nicht, dass er mit einer Frau zusammenlebte, die nicht ins Bild passte, die auf dem Berghof wilde Partys feierte, gerne reiste und teure Kleider trug.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Heike Görtemaker stellt am morgigen Sonntag, 11 Uhr, ihr Buch „Eva Braun. Leben mit Hitler“ (Verlag C.H.Beck, München 2010, 24,95 Euro) im Gespräch mit Alexander Gauland in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47, vor. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro

Heike B. Görtemaker wurde 1964 geboren, studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Germanistik in Berlin und Bloomington (USA) und arbeitet heute als Historikerin in Berlin. kip

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