Kultur: Exotisches auf Sparflamme
Eröffnung der 14. Potsdamer Hofkonzerte im Schlosstheater
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Eröffnung der 14. Potsdamer Hofkonzerte im Schlosstheater Von Peter Buske „Dattelessen gehört itzo zum guten Ton in Berlin und die Gecken pflanzen sich sogar einen Turban aufs Haupt“, mokieren sich Ihro Majestät Friedrich II. ein wenig amüsiert über die Türkenmanie seiner Untertanen. Orientalisches ist „in“. Die Sehnsucht nach exotischem Flair ist bei den Bewohnern der märkischen Streusandbüchse stark ausgeprägt. Sie hält über ein Jahrhundert an. Die Palmensäulen an den Proszenien im Schlosstheater im Neuen Palais künden genauso davon wie das Chinesische Teehäuschen im Park von Sanssouci, die Pyramide im Park von Branitz, die „Moschee“ an der Neustädter Havelbucht mit seinem als Minarett getarntem Schornstein... Diesen Spuren wollen die Potsdamer Hofkonzerte in ihrem 14. Jahrgang unter dem Titel „Die Gärten des Orient“ nachgehen. Damit will sich die veranstaltende Konzert- und Künstleragentur Barbara V. Heidenreich ein wenig vom ähnlichen „Kulturland Brandenburg“-Motto abheben und mit ihrer metaphernreichen Version gegenüber anderen Veranstaltern profilieren. Ein löbliches Unterfangen. Gärten, sagt Kulturministerin Johanna Wanka in ihrer Begrüßungsrede bei der Hofkonzerte-Eröffnung im Schlosstheater, seien mehr als nur Orte zum bloßen Spazieren gehen. In ihnen wolle man sich ein Stück des verloren gegangenen Paradieses zurückgewinnen. Die Gärten des Orients waren solche Lustgärten – voll der erotischen und exotischen Verlockungen. Ihre malerischen Abbilder zieren Villen und königliche Schlossräume in Potsdam. Indem sie sich mit anderen Kulturen auseinander setzen, suchen die „Hofkonzerte“ Verständnis dafür zu erwecken, dass „der Orient längst ein Teil der europäischen Kultur geworden ist“, so Barbara V. Heidenreich. Sie begrüßt die Gäste des Konzertes, das sich „Die Hängenden Gärten der Semiramis“ zum „Tatort“ erkoren hat, standesgemäß: Zum orientalisch geschnittenen Hosenanzug in schillerndem Indischrosa trägt sie eine weinrote, durchbrochene Renaissancekappe aus Designer-Hutmacherei. Die Entführung in das Reich der legendären babylonischen Königin Semiramis kann beginnen. Ihre hängenden Gärten mit einem ausgeklügelten Bewässerungssystem gehören zu den Sieben Weltwundern. Was Wunder, sie musikalisch wieder aufleben zu lassen. Zumal Christoph Willibald Gluck mit seinen Opern „Semiramis“ und „La Semiramide riconosciuto“ den dafür passenden Hintergrund liefern kann. Mit seiner Farce „Le Cinesi“ (Die Chinesinnen) ist des Fernöstlich-Exotischen eine weitere Zutat gewiss. Arien, Sinfoniae und Pantomimen aus diesen Werken sind dabei zu einem Pasticcio, einer Klang-Pastete, gebacken. Wer auf der Bühne exotisches Flair erwartet, sieht sich jedoch ge- und enttäuscht: Modern gewandet, agieren die (Steh-)Musiker des kleinköpfigen Ensembles „Collegium 1704“ aus Prag; ein Paravent nebst zwei deckenverhüllten Sesselstühle vervollständigen die „Szene“. Hinter diesem Wandschirm treten im Verlauf des Abends vier Mal die weißmaskierten Pantomimen Berit Bartuschka und Ronald Agenant hervor. Sie führen Variationen von Zweierbeziehungen vor. Zunächst zelebrieren sie des Paares gegenseitige Abneigung für zärtliche Körperkontakte, wobei Sie die alleinige Eroberin sein will. Dann trifft Machomann auf kapriziös Werbende, die ihm schließlich folgt. Der Vorführung des Gleichklangs zweier sentimentaler Herzen folgt endlich das aufeinandertreffen von Emanze und Macho. Das alles vollzieht sich reichlich abgezirkelt, hat mit exotischem Kolorit nicht das Entfernteste zu tun. Wäre eine charmant-komödiantische Ausdeutung von Semiramis'' Geschick und Geschichte nicht das treffendere Pantomimensujet gewesen?! Statt für Kontrast zu sorgen, legt sich durch diese stilisierte Pantomime fast so etwas wie Mehltau über die zelebrierte Nummernfolge. Was man nicht sehen kann, lässt es sich wenigstens erhören? Die auf alten Instrumenten Musizierenden geben sich alle Mühe. Sie gehören zu jenen jungbesetzten Ensembles, die sich keiner übertriebenen Akzentuierung nebst rauem Bogenstrich und forcierter Tonbildung in übertrieben schnellen (oder langsamen) Tempi hingeben. Ihre Parts unter den zeichengeberischen Impulsen von Vaclav Luks am Cembalo bewältigen sie gefälligen Spiels, klangschön und stilkundig. Ohrenaufhorchende Akzente, bis auf die sauber und sicher geblasenen Naturhörner, wollen sie nicht setzen. Soubrettengefällig und im schwarzen Abendkleid singt Irena Houkalova (Sopran) zwei Arien. Ihr optisch darin gleich, begeistert Marketa Cukrova in gleichfalls zwei Arien mit ihrem einprägsam timbrierten und ausdrucksfähigen Mezzosopran, der mühelos Alttiefe erreicht. Den Namen der Sängerin sollte man sich gut merken. Ihr wie allen Beteiligten fällt reicher Beifall zu. Mehr Orientalisches erhofft man sich von den weiteren Offerten der „Hofkonzerte“. Etwa, wenn sich in der mittlerweile zehnten (!) Tanz-Uraufführung namens „Salome“ diese sich zu weltlicher und sakraler Chormusik der sieben Schleier entledigt und von Patriarchen-Papa Herodes den Kopf des Johannes einfordert (15./16.5., Schlosstheater). Ein „Feuerwerk der Cimbalklänge“ wird Olga Mihula auf dem weißrussischen Cimbaly, dem bayerischen Hackbrett und dem italienischen Salterio entfachen (23.5., Schlosstheater). Für die Realisierung von „Friedrich Wilhelm II. Traum vom Preußischen Orient“ sorgt die orientalische Tänzerin Jasmin Harara zu Mozart-Musik (29.5., Marmorpalais). Weiterer Höhepunkt der Saison dürfte das Spektakel auf der illuminierten Wasserbühne im Belvedere auf dem Pfingstberg gehören, wo sich an drei Abenden (18., 25., 26.6.) „Die Gärten des Orient“ als Vorhof zum Paradies öffnen wollen, Texte aus Bibel und Koran, exotische Instrumente, Gesang und Tanz inklusive.
Peter Buske
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