Kultur: Exponate für Wunderkammer gesucht Jeder Potsdamer kann etwas beisteuern
Die erste Ausstellung, die der neue Kurator des Waschhaus-Kunstraums bestreitet, läuft ohne Künstler. Vielmehr ruft Erik Bruinenberg alle 157 000 Potsdamer auf, an seinem Neueinstieg mitzuwirken.
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Die erste Ausstellung, die der neue Kurator des Waschhaus-Kunstraums bestreitet, läuft ohne Künstler. Vielmehr ruft Erik Bruinenberg alle 157 000 Potsdamer auf, an seinem Neueinstieg mitzuwirken. Eine „Wunderkammer 2012“ soll gefüllt werden. Gesucht wird nach Gegenständen, die die Potsdamer besonders berühren, aufregen oder beschäftigen. Aus den abgegebenen Sachen will der Künstlerische Leiter – Nachfolger der zurückgetretenen Kuratorin Katja Dietrich-Kröck – dann eine Ausstellung zaubern, die den Potsdamer Zeitgeist spiegelt.
Wie Bruinenberg, der bereits von 1994 bis 2002 beim Waschhaus für die Bildende Kunst verantwortlich war – in einem Pressegespräch sagte, knüpft er mit seiner Idee an die Zeit der Spätrenaissance an, in der die Wunderkammern entstanden sind. Als die Kirche immer mehr an Macht einbüßte und der Adel und die Großgrundbesitzer an Einfluss gewannen, wollten diese ihren Reichtum zur Schau stellen. So wurden an den europäischen Höfen Wunderkammern eingerichtet, in denen Kunst, wertvoller Schmuck und vor allem Wissenschaft präsentiert wurden. „Aus diesen Wunderkammern sind die ersten Sammler und später im 18. Jahrhundert die ersten Museen hervorgegangen“, sagte der aus Holland stammende Kurator. Bekannte deutsche Wunderkammerbesitzer seien Goethe und Alexander von Humboldt gewesen. Die neuere Form der Wunderkammer sei nun das Internet mit Google oder Facebook.
Die Potsdamer Wunderkammer 2012 soll natürlich keine Rumpelkammer werden. Und so behält sich Bruinenberg vor, auch aus dem Angebot auszuwählen. Einen alten Kühlschrank oder eine ausrangierte Couch wird man bei ihm ebenso wenig los wie Nazipropaganda, Hardcore-Porno oder Waffen, wie er am Dienstag betonte. „Aber sollte ein Sack Kartoffeln als Reminiszenz an Friedrich II. abgegeben werden, warum nicht?! Selbst wenn er irgendwann anfängt zu stinken. Ich lasse den Leuten ihre Kreativität.“
Alle Exponate erhalten eine Nummer und werden anonym ausgestellt. Sie können auch zurückverlangt werden, sei es das Hochzeitsfoto, ein Vibrator oder ein altes Handy. Es stehe bislang in keiner Weise fest, wie der Ausstellungsfaden verlaufe. „Vielleicht kann man ablesen, ob die ehemalige DDR noch in den Köpfen haust oder die Leute inzwischen angekommen sind im Jahr 2012 im Sinne der Globalisierung.“ Auch wenn nur fünf oder sechs Sachen zusammenkommen, gibt es eine Ausstellung. „Dann ist es so. Dann ist auch das Potsdam.“
Warum aber lehnt sich Erik Bruinenberg selbst so weit heraus mit seiner Auftaktausstellung? „Ich wollte keinen Künstler verbrennen, nachdem, was alles über das Waschhaus und den Kuratorenwechsel in den vergangenen Monaten in den Zeitungen stand. So bin nur ich angreifbar, und dafür bin ich hier angestellt“, so Erik Bruinenberg, der im November von Waschhauschef Wilfried Peinke ohne Ausschreibung als Kurator eingestellt wurde, was für Kritik sorgte.
Und wie geht es nach der Potsdamer Wunderkammer, in die man ab 11. März eintreten kann, weiter im Kunstraum?
Künstler mit Behinderungen werden anlässlich 20 Jahre Diakonie im Mai ausstellen, Studenten der Fachhochschule präsentieren anschließend Experimentelles Design und im Sommer erinnert eine Ausstellung an 20 Jahre Waschhaus. In der zweiten Jahreshälfte tritt das Thema Zeichnung auf den Plan, stellen sich sechs Künstler, darunter drei brandenburgische Kunstpreisträger, vor. Und am Ende lädt József Szolnoki in seine ganz eigene skurrile „Wunderkammer“: in eine Welt ungarischer Ironie, die von sozialen Übergangsphasen und kulturellen Veränderungen erzählt. Heidi Jäger
Abgabe der Exponate: 20. bis 26. Februar, jeweils 14 bis 20 Uhr, im Kunstraum, Schiffbauergasse. Die Vernissage ist am 11. März um 16 Uhr. Weitere Informationen unter Tel.: 0152 33 84 79 01
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