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Kultur: Extreme Pole

Unidram zeigt sich ab 25. Oktober als Theaterfestival der Kontraste: mit Gästen aus neun Ländern

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Das Telefon scheint unzählige Hörer zu haben und alle greifen wie Krakenarme um sich. Die Glieder der Puppe wiederum fliegen nur so durch die Gegend und kehren wie von Geisterhand zurück. Auch mit der schönen Frau aus dem Stummfilm geschieht Rätselhaftes. Sie kokettiert – die Zeit überspringend – mit dem jungen Mann auf der Bühne: heute und hier. Wie ist das möglich? Die Finnen Ville Walo und Kalle Hakkarainen stecken hinter dem großen Bluff. Sie wissen die digitale Technik mit der artistischen Jonglage so gekonnt zu mixen, dass Illusionen geradezu perfekt den Raum füllen.

Ihre Inszenierung „Keskusteluja – Why don“t you call me“ wird den Auftakt geben für das 14. Internationale Theaterfestival Unidram, das vom 25. Oktober bis 3. November im T-Werk Aufführungen aus neun Ländern vorstellt. „Unter den rund 200 Bewerbern gehörten die Finnen zu den großen Entdeckungen. Dass Video so bewusst und überzeugend auf die Bühne gelangt und sich dabei mit Variete vermischt, haben wir bislang so noch nicht gehabt“, sagt T-Werk-Pressesprecher Jens-Uwe Sprengel. Überhaupt sei das Eröffnungswochenende mehr dem Phantastischen und Märchenhaftem vorbehalten. Wie der verdrehten Cinderella-Geschichte „Erorrism“ vom Prager Krepso-Theater, das für seinen schwarzen Humor und seine poetische Verspieltheit bekannt ist. Und dafür keine Worte braucht. Shakespeares König Lear schaute sich das Figurentheater Wilde & Vogel aus Leipzig genauer an und entwickelte daraus mittels düsterer Poesie und einer Metamorphose von Figuren-, Körper- und Maskenspiel ein eigenwilliges Duell zwischen König und Narr.

Zum ersten Mal ist in diesem Jahr eine Gruppe aus Israel dabei. „A Tale of a Lonely Man“ ist ein Kammerspiel der Täuschungen, das von Zärtlichkeit, Sehnsucht und Wahn handelt und in Potsdam seine Deutschland-Premiere erlebt. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der seine Vergangenheit nicht kennt. Eine lebensgroße Puppe genügt ihm als Frauenersatz. Ein Spiel, das so lange funktioniert, bis die Puppe lebendig wird. „Eine behutsame, sensible Inszenierung, die uns alle sehr berührte, als wir die DVD sichteten“, so Sprengel.“ Verstörender und provozierender geht es am zweiten Wochenende zu, wenn ein Stück wie „Die Kreuzritter“ die Kreuzzüge der Gegenwart „kommentiert“. Mama Zara ist sehr bemüht, im Hospiz Kriegsversehrte von ihren Traumata zu heilen und sie auf einen neuen Kriegszug vorzubereiten.Töten im Namen Gottes, lautet die Devise. „Dieses Stück der belgischen Gruppe ,Agora“ führt auch die voyeuristischen Praktiken einschlägiger Fernsehshows vor und ist nicht so einfach zu verkraften.“ Zwischen diesen zwei extremen Polen der finnischen Trickerfinder und der perfiden „Heiler“ im Hospiz vermittelt die „Lange Nacht der Experimente“ in der Festivalmitte. „Dieser Mix aus ganz verschiedenen, auch völlig schrägen Angeboten, wurde im vergangenen Jahr vom Publikum besonders gut angenommen.“

Ein Unidram-Dauerbrenner ist die Petersburger Gruppe Akhe, die schon über zehn Jahre Potsdam die Treue hält und dieses Mal ins Studierstübchen des Doktor Faust entführt. „Inzwischen ist sie international gefragt.“ Doch aus alter Freundschaft werden die Russen auf dem finanziell klammen Festival für eine moderate Gage auftreten. „Wir haben in diesem Jahr nur 80 000 Euro, das sind 20 000 Euro unter dem Limit.“ Also beschloss das Team, einen Tag des Festivals zu streichen und einen blauen Montag einzuschieben.

Ein Rahmenprogramm wird es dennoch wieder geben. Allerdings nicht wie gewohnt mit Konzerten, die zu wenig Zuschauer anzogen. Stattdessen lässt der Geräuschemacher Max Bauer in seine Trickkiste schauen, mit der er schon Regisseure wie Sönke Wortmann und Caroline Link überzeugte. Das Schindelkilliusdutschke-Trio mit Kultstatus lädt zur „Tafelmusik“ und Lügenmuseumsdirektor Reinhard Zabka baut im Schirrhof einen begehbaren Skulpturengarten, der allerdings am Ende in Flammen aufgeht. Auch hier nur Illusionen. Heidi Jäger

Karten für Unidram unter 0331-719139.

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