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Kultur: Falsches Pathos hatte keinen Platz Staatsorchester und Peter Sadlo im Nikolaisaal
Russisches am Anfang und am Ende, dazwischen Musik aus den USA. Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) unter der Leitung seines Chefdirigenten Howard Griffiths hat für das 8.
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Russisches am Anfang und am Ende, dazwischen Musik aus den USA. Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) unter der Leitung seines Chefdirigenten Howard Griffiths hat für das 8. Sinfoniekonzert ein Programm offeriert, das von inspirierender Wirkung war. Der an Volksweisen sich anlehnenden Musik von Nikolai Rimski-Korsakow sowie dem verzweifelt-aufwühlenden Werk von Dmitri Schostakowitsch stand Unterhaltend-Virtuoses von Paul Creston gegenüber.
Das Staatsorchester war auch an diesem Abend groß in Form. Der harmonische und melodische Gestaltungsreichtum der effektvollen Ouvertüre über russische Themen op. 28 von Rimski-Korsakow aus dem Jahre 1866 wurde schwelgerisch entfaltet – ohne Einbußen an rhythmischer Präzision. Die delikate Instrumentierkunst des Komponisten kommt auch in der Ouvertüre zum Tragen. Griffiths forderte das höchstmögliche Potential an orchestraler Klangfarbe und der Frankfurter Klangkörper färbte die imaginäre musikalische Leinwand mit zumeist pastosem Farbauftrag. Die große Liebe zur Heimat, doch auch die oftmals attestierte Melancholie der Russen wird in diesem Werk deutlich.
Dmitri Schostakowitsch war als Mensch und Musiker politisch ganz anders gefordert als sein Kollege im 19. Jahrhundert. Der konnte sich im zaristischen Russland in aller Freiheit musikalisch äußern, Schostakowitsch dagegen musste in der Sowjetunion, wo der Mensch eigentlich die Unterdrückung überwunden haben sollte, sich den politischen Gegebenheiten anpassen. Nachdem in der „Prawda“ 1936 ein böswilliger Artikel über ihn mit der Überschrift „Chaos statt Musik“ stand, antwortete er mit der 5. Sinfonie d-Moll op. 47. So mancher Zeitgenosse meinte, dass er sich mit dem Werk zum Hofkomponisten des Regimes gemacht habe. Doch die expressive und spannungsgeladene Musik, in der Not, Ängste, Ausweglosigkeit, Kampf und dessen ungewisser Ausgang hörbar sind, sagt anderes aus, macht deutlich, in welcher seelischen Verfassung Schostakowitsch war. Staatstragendes, das die Oberen von ihm einforderten, ist in der Sinfonie nicht zu hören. Durch ihr kräftiges und akzentuiertes Spiel, in dem kein falsches Pathos aufkam, zogen die Musiker des Staatsorchesters unter Howard Griffiths sofort die Zuhörer im Nikolaisaal in den Bann.
Eine besonders berührende Interpretation hat das kammermusikalisch gehaltene Largo, das von Resignation und Trauer bestimmt ist, gefunden. Das innige Spiel der Streicher ließ besonders aufhorchen. Das Publikum war von der Aufführung der Schostakowitsch-Sinfonie sehr bewegt und spendete den Mitwirkenden langen und herzlichen Applaus.
Beifallskundgebungen wie in einem Rockkonzert wurden dem Solisten des Konzertabends zuteil: Peter Sadlo. Der international renommierte Schlagzeuger gastierte bereits zum vierten Mal im Nikolaisaal, nun erstmals mit dem Staatsorchester und Griffiths, die ihm hellwache Partner waren. So mancher Zuhörer kam nur wegen Sadlo angereist, verschwand jedoch nach seinem Auftritt. Ohne Frage, der Schlagzeuger ist ein souveräner Spielmacher, ein Virtuose ersten Ranges. Das von ihm musizierte 1941 in New York uraufgeführte Concertino für Marimba und Orchester op. 21 von Paul Creston bot Percussion, die sich effektvoller, spannender und klanglich ausgereifter nicht denken lässt, die aber dennoch beim reinen Effekt nicht stehen blieb.
Besonders im langsamen zweiten Satz verstand er es, Verträumt-Melancholisches mit innerer Gelassenheit zu musizieren – ein schöner Ruhepol inmitten überbordender Virtuosität. Die hatte er dann bei der Zugabe „Crossover“ für kleine Trommel des Österreichers Wolfgang Reifeneder nochmals gesteigert, doch auch die Lust am Effekt machte sich breit. Und die Spielfreude war nicht zu bremsen.
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