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Kultur: Farbe ins Grau
Potsdamer Chöre und Ensembles füllen die Adventsstunden mit Vorfreude auf Weihnachten
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Es ist alles wieder dabei. Fast alles. So mit Zuckerguss beklebte Winter-, Advents- und Weihnachtsmelodien, die von „Süßer die Glocken nie klingen“ über das Rentier Rudolf bis zur Filmmusik von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ reichen. Hübsche Melodien, ohne Frage, aber zur Advents- und Weihnachtszeit gehen sie manchmal mit ihrer Künstlichkeit und Degeneration an die Grenzen des guten Geschmacks.
Natürlich ist Musik, die tiefer berühren und bewegen will, zu hören, die die Substanz von Weihnachten nicht in Frage stellt. Das Fest ist, bei Licht betrachtet, nicht vielerlei, wie manche Lieder weismachen wollen, sondern eines: die Verkündigung der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem vor mehr als 2000 Jahren.
Klar, auch das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach mit seiner unüberhörbaren Aufforderung „Jauchzet, frohlocket! Auf preiset die Tage!“ dudelt aus fast jedem Lautsprecher auf Weihnachtsmärkten und wird beispielsweise genauso unsensibel wie „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ für Stimmungsmache benutzt. Das Oratorium des Leipziger Thomaskantors, das in Kirchen und Konzertsälen jährlich präsent ist, gilt als das meist aufgeführte Werk in den letzten vier Wochen eines Jahres. Seine Aufführungen wollen mehr als nur ein erstarrtes Ritual und üblicher Brauch sein, denn die musikalisch und theologisch zutiefst inspirierte Folge von Kantaten hat von ihrem Deutungsreichtum nichts vom ursprünglichen Reiz eingebüßt. Vier der großen Potsdamer Chöre bereiten sich in diesen Tagen auf Wiedergaben vor: die Singakademie (6. Dezember, 18 Uhr, Nikolaisaal, Kantaten 1-3), der Chor der St. Nikolaikirche (12. Dezember, 16 und 19 Uhr, St. Nikolaikirche, Kantaten 1 und 4-6), der Oratorienchor (16. und 17. Dezember, 19.30 Uhr, Kantaten 1-3) sowie die Potsdamer Kantorei, die am 27. Dezember um 17 Uhr in der Erlöserkirche Teil II des Weihnachtsoratoriums mit dem Chor „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“ anstimmt. Auf unorthodoxe Weise wird das berühmte Werk am 23. und 25. Dezember, jeweils 17 Uhr, im Nikolaisaal für Kinder und ihre Familien erzählt. Mit Humor, in einfachen Worten und kurzen musikalischen Etappen geht es durch die Welt der Weihnachtsgeschichte und ihrer Bach'schen Interpretation.
Die Tradition von Aufführungen des Weihnachtsoratorium ist unaufhörlich. Man kann ihm sicherlich keine Konkurrenz machen. Aber dennoch wünscht man großen Chören, auch Potsdamern, mehr Mut und Fantasie bei der Auswahl von chorsinfonischen Werken für die Adventszeit und dem Christfest sowie der großen Zuhörerschar mehr Entdeckerfreude. Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy, Heinrich von Herzogenberg oder Josef Gabriel Rheinberger warten auf Sänger, selbst Heinrich Schütz' „Weihnachtshistoria“.
Advent und Weihnachten sind die Wochen, in denen die meisten Konzerte des Jahres stattfinden, in denen auch kleine Chöre – nicht nur die mit Chorsinfonik-Status – Orchester und Kammermusikensembles zu Konzerten einladen. Dabei hat sich über die Jahrzehnte ein Kanon von Weihnachtsliedern etabliert und in vielen Fällen gleich auch ein entsprechender Chorsatz. „Es ist ein Ros entsprungen“ von Michael Praetorius ist das populärste Beispiel hierfür, wobei die Popularität in diesem Fall durchaus berechtigt ist. Aber spannend wird es, wenn Unbekanntes beispielsweise aus der Romantik, unserer Gegenwart und aus anderen Ländern im Programm zu finden ist.
Vielfalt haben am morgigen Samstag die Wiener Sängerknaben während ihres Konzerts in der St. Nikolaikirche (17 Uhr) im Gepäck. Der weltberühmte Chor wird unter anderem Ausschnitte aus seiner neuen CD „Frohe Weihnachten“ präsentieren. In Schinkels großer Kuppelkirche auf dem Aten Markt wird am Nikolaustag, also am kommenden Sonntag, weiter musiziert: Um 15 Uhr geben sich Bläser der Neuen Potsdamer Hofkapelle ein Stelldichein und um 17 Uhr spielt Kantor Björn O. Wiede adventliche Orgelmusik.
Am zweiten Advent bringen das Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam sowie die Babelsberger Kirchenchöre unter anderem Chor- und Blechbläsermusik in der Friedrichskirche (16 Uhr) zu Gehör. Gastdirigent Parcival Módolo hat sich dazu wieder auf den weiten Weg von Brasilien nach Potsdam gemacht, um das Orchester bei seinem besinnlichen Abschluss des 70. Jubiläumsjahres zu leiten. Historische Instrumente und frische Stimmen setzt die Potsdamer Renaissance-Folk-Band Antiqua ein, um ihr Weihnachtsprogramm „Sterne“ am Sonntag, 17 Uhr, unter dem Sternenhimmel der Kirche auf dem Neuendorfer Anger in Babelsberg zu gestalten. Natürlich ist auch die Klein-Glienicker-Kapelle mit einer Adventsmusik von der Partie. Am 6. Dezember um 16 Uhr gibt an der Schuke-Orgel des kleinen Gotteshauses der tschechische Organist Frantisek Vanícek ein Konzert. In der Pfingstkirche hat sich an diesem Sonntag, 17 Uhr, chorus vicanorum aus Michendorf angesagt, um mit seinem A-cappella-Programm Farbe ins Grau zu bringen.
Nicht alle musikalischen Veranstaltungen sind hier vermerkt. Sie aufzuzählen, würde wohl kaum ein Ende nehmen. Aber sicher ist, dass wohl jedes Konzert die Adventsstunden mit Vorfreude auf das große Fest füllen möchte.
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