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Kultur: Farben der Erinnerung

Volkmar Hänsels Potsdam-Bilder in Matschkes GalerieCafé

Stand:

Volkmar Hänsel steht in seinem mecklenburgischen Garten, die Augen einen Moment lang geschlossen, dann legt er los. Der Pinsel fliegt über die Leinwand und fängt die Bilder im Kopf. Farben strömen, mal im wilden Stakkato, mal piano, und füllen kraftvoll die eben noch weiße Fläche. Er arbeitet ohne Skizze, ohne Korrekturen, nicht nach der Natur, sondern eher wie die Natur selbst, lässt schöpfungsartig Landschaften neu erstehen.

Nach knapp zwei Stunden ist das Werk vollendet und der Maler kehrt zurück in die Gegenwart. Die ist von nordisch-kühlem Blau – das Bild aber schwelgt in mediterranen Ockertönen. Es zeigt die alte Blutbuche im Potsdamer Neuen Garten. In Wirklichkeit gibt es sie längst nicht mehr. Doch Hänsel malt in den Farben der Erinnerung.

So entstehen in diesem Sommermonat mitten in Mecklenburg noch weitere siebzehn Potsdam-Bilder. Parklandschaften, das Neue Palais, die Römischen Bäder, die Friedenskirche, auch Stadtgesichter wie das Holländische Viertel. Die Bibliothek am Heiligen See ist auf Hänsels Gemälde noch immer eine Ruine. Seine malerischen Potsdam-Erinnerungen gehen weit in die Kindheit zurück. 1949 in Dresden geboren, hat er vom dritten bis zum 18. Lebensjahr in der Berliner Vorstadt gewohnt. Tägliche Spaziergänge mit der Mutter im Neuen Garten hinterließen für immer Bilder im Kopf, im Herzen, jederzeit abrufbar. Nicht als fotografisches Abbild, eher als Licht und Schatten, als Rhythmus und Farbe. „Du musst dein Inneres öffnen, reinlassen, was dich umgibt, dann verankern sich die Bilder in dir, werden zum inneren Repertoire“, beschreibt er Lebens- und Malprinzip. „Wenn ich mal alt und krank im Bett liege, werde ich so meinen ganz eigenen Film im Kopf haben“.

Dabei hätte er um ein Haar den Pinsel schon jetzt aus der Hand gegeben. Das Leben mit Sohn Gerit stellt den in zweiter Ehe noch einmal glücklichen aber späten Vater vor längst ungewohnte alltägliche Anforderungen. Doch wenn ein Maler nicht malt, weiß er irgendwann nicht mehr, wer er ist. Aus der Krise hilft der Freund, der in Potsdam den Ort für eine Ausstellung organisiert. Hänsels künstlerischer Überlebenswille bricht sich augenblicklich farbrauschartig die Bahn und lässt die zur Zeit in Matschkes Galerie Café ausgestellten Werke entstehen.

Gemalt hat Hänsel schon als Kind, doch der Weg des Autodidakten zum Berufsmaler war kompliziert. Abitur, Berufsausbildung am Ernährungsinstitut in Rehbrücke, Studium der Theologie, das er wieder abbricht, später wird er Hygieneinspektor. Als ihn dann die Liebe nach Mecklenburg in eine erste Ehe führt, die er bald als Sackgasse empfindet, flüchtet er sich in seine alte Leidenschaft, die Malerei. Auf diesem Weg trifft er den Maler Waldemar Krämer, der ihm Lehrer und Freund wird. Seine Kandidatur im Rostocker Künstlerverband vermasselt er sich mit einem Auftragsbild des staatlichen Sportbundes: Bogenschützen soll er malen. Er lässt den Schützen vom Rollstuhl aus schießen, was ihm politisch als Verleumdung des DDR-Sportes ausgelegt wird. Der Versuch, an der Dresdener Kunsthochschule zu studieren, scheitert an seiner Wehrdienstverweigerung.

Heute sieht Hänsel das alles gelassen: „Das war der Weg, den ich gehen musste, denn ich passe sowieso durch kein Nadelöhr“. 1989, mit der Ausstellung im Ahrenshooper Kunstkaten, beginnt eine gute Zeit, auch wenn er sein Geld zeitweise als Maltherapeut in der Rostocker Psychiatrischen Klinik verdienen muss. Künstlerische Inspirationen holt sich Hänsel von Malern wie Monet. Das Seerosenbild! Auch hier feiert die Malerei sich selbst– ein rauschendes Fest der Farben. Hänsels Traum: Selbst einmal seine Mallust auf riesiger Fläche austoben zu können. Die acht Meter lange Leinwand lagert schon im Atelier. Nun muss er nur noch Farben horten, mit denen er dann vielleicht seine Sehnsuchtslandschaft Lappland malen wird – in seinem mecklenburgischen Garten.

Bis 8. August, MatschkesGalerieCafé, Alleestraße 10, täglich 12-22 Uhr

Hanne Bahra

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