
© Sehmsdorf
Kultur: Faszination Bewegung
Carl Constantin Weber mit „Preussische Viecherei“ in der Galerie Kunst-Kontor
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Schlanke Hundekörper strecken sich, sehnige Hinterläufe wirbeln Erdklumpen auf – nur einer der italienischen Windhunde wendet seinen Kopf, lässt sich ablenken von der Jagd, als hätte ihn jemand gerufen. Es sind nur Gips-Skulpturen, die hier hechelnd herüberziehen. Doch hielt Carl Constantin Weber sie in ihrer Lebendigkeit, in ihren Bewegungen so überzeugend fest, dass kaum ein Betrachter sie als starre Kunstwerke wahrnimmt. Genau diese Spannkraft geht von fast allen Skulpturen Webers aus, die derzeit im Rahmen der Ausstellung „Preussische Viecherei“ im Kunst-Kontor zu sehen sind. Sie ist das Markenzeichen seiner Kunst.
Da ist zum Beispiel die bronzene „Windfrau“: Mit ihren schweren Beinen scheint sie gegen einen Sturm anzulaufen – der Wind reißt ihr den Umhang vom Leib und zerrt an ihrem Haar. Rotgolden schimmert ihr Körper. Oder der „Kleine Kopfsprung“: Eine Frau taucht kopfüber in ihren harten, metallenen Sockel, halb ist sie schon verschwunden. Seltsam unangenehm, fast schmerzhaft ist das Betrachten der rostbraunen Plastik.
Seine Skulpturen fertigt Carl Constantin Weber mit großer Virtuosität, nichts wirkt misslungen und die Farbgebungen unterstreichen die Atmosphären, die von den Kunstwerken ausgehen. Die Bronzeplastik „Pferd vom Nil“ scheint beinahe stillzustehen, nur einen Huf setzt das Flusspferd bedächtig nach vorn. Die dunkle, braunschwarze Patina, die den schweren Leib überzieht, unterstützt diesen Moment der Langsamkeit, des Schwerfälligen. Webers gekonnter Umgang mit Form und Farbe seines Arbeitsmaterials wurzelt in seiner gründlichen Ausbildung. Bevor er Bildhauerei an der Hochschule der Künste Berlin studierte, machte er eine Ausbildung zum Ziseleur und Bronzegießer.
Die Motive seiner Kunstwerke eignet sich Weber durch ganz genaue Beobachtung seiner Umwelt an. Ermüdete Rennradfahrer, fragende Kinder, der „Faltbootträger“: Das sind Teile von Webers Alltag, die er in Skulpturen verwandelte. Seltener nimmt sich Weber historische Motive zum Vorbild, wie bei der Figurenserie „Merkur I-III“. Um die „Italienischen Windspiele“ der Skulpturenserie „Friedrich VII“ zu formen, fuhr er zu einer brandenburgischen Windhundzucht und näherte sich den Tierkörpern zunächst zeichnerisch an.
Das Prinzip, Räumlichkeit und Plastizität durch Abzeichnen besser zu begreifen, zieht sich durch Webers gesamtes künstlerisches Arbeiten. Auch ausgestellt in der Galerie Kunst-Kontor von Friederike Sehmsdorf sind seine Bleistift- und Kohleskizzen von deutschen und italienischen Gebäuden. Schon beim reinen Betrachten dieser Bilder lässt sich so manches architektonisches Prinzip besser verstehen als im Angesicht der Gebäude selbst – so zum Beispiel die Gewölbestrukturen der Kirche Sant’Agnese in Rom. Man sollte vermuten, dass Webers Skizzen von starrer Architektur einen Kontrast zu seinen bewegten Skulpturen darstellen. Dem ist jedoch keinesfalls so: Sein kräftiger, voranstrebender Zeichenstrich lässt selbst den ausgestorbenen Vorplatz des Einsteinturms lebendig wirken.
Absolut sehenswert ist außerdem die Bronze-Plastik einer Frau, die im Garten der Galerie ausgestellt ist. Indem sie sich einen Schuh anzieht, imitiert sie perfekt die in sich gedrehte Haltung des berühmten antiken Diskuswerfers – ein finales Zeugnis von Webers hohem künstlerischen Niveau.
„Preussische Viecherei“ ist noch bis zum 27. April in der Galerie Kunst-Kontor in der Bertinistraße 16B zu sehen. Die Galerie ist dienstags und mittwochs von 15 bis 19 Uhr, donnerstags von 15 bis 20 Uhr und samstags von 13 bis 18 Uhr geöffnet
Linda Huke
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