Kultur: Faszinierende Knopfarbeiten im Doppel Das Akkordeonduo Toeac im Nikolaisaal-Foyer
Ab und an saß vor Zeiten ein Straßenmusikant im zugigen Zwischengeschoss des Fußgängertunnels im Berliner Bahnhof Friedrichstraße, um auf dem Akkordeon neben Gängigem auch Werke von Johann Sebastian Bach zu spielen. Mancher blieb stehen, um ihm zu lauschen und sich an den scharf getönten, markanten Klängen zu begeistern.
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Ab und an saß vor Zeiten ein Straßenmusikant im zugigen Zwischengeschoss des Fußgängertunnels im Berliner Bahnhof Friedrichstraße, um auf dem Akkordeon neben Gängigem auch Werke von Johann Sebastian Bach zu spielen. Mancher blieb stehen, um ihm zu lauschen und sich an den scharf getönten, markanten Klängen zu begeistern. Bach auf dem Akkordeon – ein Sakrileg? Nicht, wenn man es gut kann. Als Einzelner oder gar im Doppel. Wie beispielsweise die niederländischen Akkordeonistinnen Renée Bekkers und Pieternel Berkers, die als Duo „Toeac“ der Nikolaisaal-„Kammermusik im Foyer“ den saisonalen, ausverkauften und höchst vergnüglichen Startschuss gaben.
In ihrem kontrastreich zusammengestellten Programm verbanden sie dabei das barocke Zeitalter mit zeitgenössischen Notenerfindungen, ließen Originalkompositionen für zwei Akkordeons mit selbst arrangierten Piecen abwechseln, die eigentlich für Klavier, Orgel oder Orchester bestimmt waren.
Faszinierend zu erleben, wie auf beiden Instrumenten mit ihren schier unzähligen, perlmuttbestückten Knöpfen sowohl Solistisches als auch Orchestrales gleichermaßen zu wirken versteht. Die beiden Künstlerinnen machen zudem mit ihren Blasebalgarbeiten auf beglückende Weise deutlich, dass die klangvollen und meisterhaft gearbeiteten Spielgeräte tatsächlich atmende Instrumente sind. Sie scheinen mit ihnen gleichsam symbiotisch verwachsen. Und mit sich selbst, denn beim Musizieren pflegen sie einen intensiven, auf körperliche Bewegungen der anderen reagierenden Blickkontakt. Dadurch entsteht eine selten gehörte Intensität des Musizierens. Wie bei Bachs Passacaglia c-Moll BWV 582, deren polyphone Verstrickungen und harmonische Veränderungen sich nun klarer und durchschaubarer verfolgen lassen als in der Urschrift. Auch klingt das Stück nun viel intimer und eindringlicher. Bachs Intentionen sind restlos eingelöst.
Die lasziven Klänge von Strawinskys (Klavier-)Tango profitieren genauso davon wie Edvard Griegs Suite „Aus Holbergs Zeit“, der sie mit Zug und Druck sowie blitzschneller Registerwahl eine unglaubliche Fülle von Klangmöglichkeiten entdecken. Man sieht und hört staunend, wie sie nicht nur hier total in der Musik aufgehen. Nach jedem Stück gibt’s einen Sitzplatzwechsel (warum eigentlich?), erläutern sie wechselseitig und leider nur in englischer Sprache die Stücke und deren Autoren.
Dessen hätte es bei den assoziationsreichen „Blicken aus einem holländischen Zug“ (Views from a dutch train) von Jacob Ter Veldhuis eigentlich nicht bedurft, denn die Eingebungen im Sinne der Minimal Music sprechen für sich. Genauso wie die „Conversations with a shadow“ (Gespräche mit einem Schatten) von Zbigniew Bargielski, die die Spielerinnen, Schulter an Schulter lässig gelagert, mit tatsächlich schau-spielerischem Nachdruck zu einer spukhaften Klangszene gestalten.
Swingende Tangoleidenschaft eines Astor Piazolla oder Viktor Vlasov wissen sie rhythmisch perfekt auszudrücken, die Fantasie-„Geschichte von den sieben Federn“ des Ketil Hvolef tonmalerisch und überaus plastisch zu erzählen. Davon profitieren auch Ausschnitte aus Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“: die erwartungsfrohe Promenade, das groteske Torkeln des Gnomus, die geheimnisvolle Beschreibung des alten Schlosses, das skurrile und konturenscharf gespielte Ballett der Küken in ihren Eierschalen. Da mochte man doch glatt den ganzen Zyklus hören! Stattdessen gab’s Zugaben von Piazolla.Peter Buske
Peter Buske
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