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Kultur: „Fauler Lude“

Wie der Revisor samt Katze im „Sack“ verschwand

Stand:

„Wir sind überzeugt, dass Groß’ Komödie ,Revisor oder Katze aus dem Sack’ ob ihres kräftigen Grundeinfalls, ihrer zahlreichen theatralischen Einfälle, ihrer plastischen Figurenzeichnung und ihres satirisch-heiteren Grundtons ein Stück von durchschlagender Wirkung beim Publikum ist.“ Wie durchschlagend diese Satire wirklich werden sollte, ahnte Intendant Gero Hammer in keinster Weise, als er diese Zeilen an die Abteilung Kultur beim Rat der Bezirkes sandte. Nach der dritten Vorstellung der Gogolschen Revisor-Adaption am 24. Mai 1989 kündigte ihm Günther Jahn die Freundschaft. Für immer! Nachdem er schon durch seine Vorposten instruiert gewesen war, schaute sich der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung das „üble Machwerk“ nun selber an. Es sei das Schlimmste, was er im Bezirk Potsdam seit 15 Jahren erlebt hätte, machte er im Gespräch mit Gero Hammer seinem Herzen Luft. Weder er noch irgendein leitender Genosse im Bezirk Potsdam hätten es nötig, sich von der Bühne herab, derart in den Dreck ziehen zu lassen, schimpfte Jahn. „Niemand legt, wie im Stück dargestellt, irgendwelche Mappen über einen anderen an.“ Und er sei stolz, dass sich in der DDR auch niemand im Namen von Glasnost und Perestroika die Köpfe einschlägt oder dafür auf der Straße demonstriert. Für solch ein Stück, das das Vermächtnis Hans Ottos auf das Schlimmste herabwürdigt, sei selbst das alte Theater noch immer zu gut, wütete er. Er schwang sich sogar dazu auf, zu betonen, dass er sich in Bündnisfragen offenbar mit einem Bischof besser verstehen könne, als mit einem Intendanten der NDPD. Nach dieser klaren Ansage nahm Gero Hammer das Stück von der Bühne. Das einzige, was je abgesetzt wurde.

Doch die Kampagne gegen das Theater war damit nicht beendet. Es folgten Briefe von Gewerkschaft und FDJ. Ein Schreiben war von besonderer Kuriosität und sorgte in der Theaterkantine für allgemeine Heiterkeit. Absender war der damalige Oberbürgermeister Manfred Bille. Er schrieb am 30. Mai 1989 an den Schauspieler Michael Walde (der richtig Michael Walke hieß) und beschwerte sich über ihn persönlich: „In einigen Vorstellungen des Stückes haben Sie die Rolle des Oberbürgermeisters unserer Stadt dargestellt, und ihn als ,faulen Luden’ mit asozialem Familienanhang ausgespielt und damit dazu beigetragen, die dem Theater gegebenen Möglichkeiten, wie ich meine, zur Diskriminierung von im Dienste der sozialistischen Staatsmacht verantwortungsbewußt arbeitenden Menschen unserer Stadt zu mißbrauchen. Daß dabei deren Frauen und Töchter im Rundumschlag gleich zu Nutten werden, hat sie offensichtlich nicht gestört.“ Also lud er Michael „Walde“ ein, einige Tage und Abende an seiner Seite zu verbringen, um sich mit der fleißigen Arbeit eines OB bekannt zu machen.

Wie hieß es so treffend im Stück? „Der Staat macht seine Diener dumm, der Dumme haut die Klugen krumm.“ PNN-Kritiker Hanno Meyer lobte jedenfalls die Aufführung, weil sie das heilsame, heilende Lachen befördert. Anderen blieb es im Hals stecken. Heidi Jäger

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