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Kultur: Feierlich, aufrüttelnd und still

Das Ensemble Virga Strata mit gregorianischen Gesängen bei der 4. Sommermusik der Friedenskirche

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Klare und erhabene Musik erfüllte am Samstagnachmittag die Friedenskirche Sanssouci. Während der 4. Sommermusik erklangen gregorianische Choräle, gesungen vom Ensemble Virga Strata, das sich vor zehn Jahren gründete und in Berlin beheimatet ist. Die Gregorianik geht auf Papst Gregor den Großen (gest. 604 n. Chr.) zurück, der die Schola Cantorum, einen Sängerchor für die Gestaltung der römischen Liturgie, einrichtete. Obwohl die uralten Gesänge jahrhundertelang die Kirchenmusik bestimmten und nicht auf das klösterliche Leben beschränkt waren, werden sie heutzutage in der Regel als Musik aus dem Kloster wahrgenommen. In der Liturgie der Katholischen Kirche hat sie noch eine Heimat, ganz selten bei den Protestanten. Vor allem verbindet man sie mit der Erwartung eines meditativen Charakters. Das Latein trägt dazu bei, dass die Musik als überzeitlich, als universell empfunden wird. Doch vor allem wollen sie Gebete sein, in der sich auch Schönheit, Ehrfurcht und Würde ausdrückt.

Das Ensemble Virga Strata versuchte, in der Friedenskirche den Ablauf einer Messe den Hörern nahezubringen. Sie wählten dafür ein- und mehrstimmige Gesänge mit ihrer zumeist archaischen Melodik und freien Rhythmik. In verschiedenen Abteien waren Mönchskomponisten zu Hause, deren Namen meist unbekannt blieben. So im Kloster Heiligenkreuz bei Wien, dessen Zisterzienser mit ihren CD-Einspielungen internationalen Erfolg verzeichnen. Doch auf alle Fälle schrieb auch Hildegard von Bingen, eine Benediktinerin aus dem 12. Jahrhundert, liturgische Choräle. Das Berliner Ensemble hatte von ihr die Antiphon zur Kirchweih auf dem Programm.

Sicherlich war nicht jeder Zuhörer mit der Musik besonders gut vertraut, doch die fünf Sänger verdeutlichten, dass uralte Musik nicht langweilen muss, sondern energiegeladen, feierlich, aufrüttelnd, still und dramatisch sein kann. Dass sie in ihrer anscheinend schlichten musikalischen Struktur doch fähig ist, zu berühren. Das Ensemble Virga Strata, das unter der Leitung des Sängers und Kirchenmusikers Jochen Großmann die Gregorianischen Gesänge erarbeitet, zeichnet sich durch einen klaren und präzisen Klang aus, in dem sich die Stimmen gut mischen. Auch das gelegentliche Vibrato eines Sängers wird im Gesamtklang gut aufgehoben. Die intonatorische Sicherheit – beim Gloria gab es einige kleine Unsicherheiten – verleiht dem Klangbild einen obertonreichen Glanz.

Wunderbar beispielsweise, wie die ersten Töne den Kirchenraum erfassten. Sie wurden nie überfallartig angesungen, sondern entstanden wie von selbst. Die immer wiederkehrenden Wiederholungen wirkten nie ermüdend, sondern waren stets aufrüttelnd und stimmten nachdenklich. Es gelang den Sängern, eine Atmosphäre zu schaffen, die der Feierlichkeit des Augenblicks würdig war. Die musikalische Feinarbeit, mit der Jochen Großmann und seine Sänger sich den Gregorianischen Chorälen annehmen, zahlte sich aus. Klaus Büstrin

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