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Kultur: Feindseliger Tann

Bernd Krenkel mit Waldbildern und Skulpturen-Armada im Waschhaus-Kunstraum

Stand:

Mit jedem Schritt auf der Wendeltreppe wird es heißer. Die Hitze des Tages hat sich komplett in die obere Etage des Kunstraums eingenistet. Auf der letzten Stufe angekommen, steht man den sieben (magische Zahl!) Skulpturen gegenüber. Vor einem düsteren Ölbild bauen sie sich auf, halb verkohlt auf ihren Eisenstangen – ein seltsam erstarrter Flüchtlingszug, wie gerade noch einmal einem Waldbrand entronnen, deformiert, mutiert. Überlebende. Seine martialische „Kriegergruppe“ nennt Bernd Krenkel diese Sieben.

Vor wenigen Jahren war es das Wasser, das Bernd Krenkel faszinierte. Der in Marquardt lebende Maler ließ sich durch den See vor der Haustür zum Malen verleiten. Jetzt zeigt er im Kunstraum zwei Serien, die damit so gar nichts zu tun haben. Entstanden sind sie in den vergangen zwei Jahrzehnten. Die großformatigen Ölbilder der „Brocken-Serie“ und „Dickicht-Serie“, Nahaufnahmen stacheliger Nadelwaldgerippe, sind weit entfernt vom Ideal des romantischen Eichendorffschen Mischwalds mit schattenspendenden Kronen. Krenkel ist für seinen Wald auf den Brocken im Harz gestiegen, mit dem Zeichenbrett durch sächsische Nadelwälder und das Dickicht mancher Wäldern der österreichischen Steiermark gekrochen.

Die mitgebrachten Kohleskizzen wirken jetzt wie Negative in Vorbereitung für die riesigen, tragenden Ölbilder. Sparsam, als summiere sich mit jedem Strich das Gepäck, hat er das Geäst vorgezeichnet und im Atelier, so legt die Vermutung nahe, alles wieder hervorgeholt. Hat undurchdringliches Gestrüpp gemalt, einen archaischen, feindseligen Tann. Zu dicht vor dem Bild sieht das alles aus wie das Abstreifbrett des Malers, Verbannungsort für überflüssige, nutzlose Pinselstriche. Doch aus der Entfernung verdichtet sich das Chaos zum Bild, zum befremdlichen Gehölz in allen Farbtönen – außer einem frischen Grün. Selbst das freundliche Rot ist heimtückisch, lässt den Zweigen Dornen wachsen. Statt saftiger, Leben verheißender Blätter gibt es hier nur Wurzelwerk und spitze Zweige, die den Weg versperren. Magisch anziehend einerseits – und doch würden sich dort hinein wohl nur Hasen wagen.

Vielleicht auch diese irren Skulpturen. Vielleicht kommen sie auch bereits aus dem Wald. 22 weitere Kreaturen stehen im Erdgeschoss, aufgebaut als Gruppe, flankiert von düsteren Tann-Bildern. Einen Namen hat die seltsame Armada nicht, gepfählt auf Stahlstelzen. Geisterhafte Geschöpfe, kurz vor dem Schlüpfen oder Krepieren – das liegt ganz im Auge des Betrachters. Der kann die Fabelwesen fast komplett umschreiten, ein lohnenswerter Perspektivwechsel, ein unterhaltsames Spiel. Krenkel, der Künstler, schlägt mit den Skulpturen, die er neben seiner umfassenden Bilderschau zeigt, einen Bogen zurück zum Element Wasser. Aus dem See holt er angeschwemmtes Weidenholz, Geäst, das das Wasser schon jahrelang vorbereitet hat. Oder er sucht sich aus den Resten der am Seeufer beliebten Lagerfeuer verkohlte Stücke, die ihm gefallen. Die nehme er so, wie sie kommen, sagt er, verändern tue er die Fundstücke selbst nicht. Den hölzernen Leichen verpasst er dann mittels Lötpistole Häute aus Drahtgeflecht, Blei-, Gips- und Pigment-Ummantelungen. Und so birgt jede für sich einen statischen Kern – umgeben von Bewegung, einer Richtung, Wind, Kraft, Macht, Schutz. Ein Jahr etwa hat er an dieser Gruppe gearbeitet. Ein Riesenspaß – und eine Geduldsarbeit, sagt Krenkel.

Es sei ihm eine große Freude, ein Genuss, diese Werke, die doch irgendwie zusammengehören, jetzt so gemeinsam präsentiert zu sehen, sagt Krenkel. Das sei auch für ihn eine Ausnahmesituation. Die jetzige Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunstverein Potsdam auch anlässlich des 60. Geburtstags des Malers. Krenkel studierte in den Siebzigern an der Potsdamer Fachschule für Werbung und Gestaltung, später lehrte er dort auch. Seit 1997 ist er an der Kunstschule Potsdam als Dozent tätig. Im In- und Ausland ist Krenkel seit den Achtzigern mit Ausstellungen präsent. Was Krenkel als nächstes vorhat, weiß oder verrät er nicht. Vielleicht mal eine Auszeit nehmen und die Batterien auffüllen, sagt er. Genug Rohlinge für weitere Skulpturen habe er vorrätig, nur auf Inspiration müsse er warten.

So viel allerdings ist sicher: Mit Menschen hat er es nicht so. „In meinen Bildern gibt es keine“, sagt Bernd Krenkel, das wird wohl auch so bleiben. Aber die Natur – und was sie hergibt – beobachtet und nutzt er sehr genau. Ob Wald oder Wasser, beides sei ihm gleich lieb und wichtig.

Vernissage am morgigen Donnerstag um 19 Uhr, zu sehen bis 25. August, Mittwoch bis Sonntag, 12 bis 18 Uhr

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