Kultur: Feinsinnig
Orgelsommer-Konzert mit Antonio Caporaso
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Aller guten Dinge sind Drei. Drei Italiener beispielsweise, die beim diesjährigen Internationalen Orgelsommer mit ihrem klar strukturierten, fantasievoll registrierenden Spiel für viel Begeisterung sorgten. Der dritte im Bunde, Antonio Caporaso, bestritt nun das vorletzte Konzert dieser Saison, das in Zusammenarbeit mit den Potsdamer Bach-Tagen in der sehr gut besuchten Friedenskirche stattfand. Der im süditalienischen Benevento Geborene ist in seiner Heimatregion als Pädagoge, Gründer eines Kulturvereins und künstlerischer Leiter diverser Musikfeste tätig, die sich entweder der Orgel, Kammermusik oder dem Chorgesang verschrieben haben. Der „Königin der Instrumente“ dient er also als Sachwalter künstlerischen Orgelspiels, der um die Wirkung von passenden Registrierungen und damit verbundenen differenzierten Klängen weiß.
„Bach und Italien“ bestimmte sein Programm, bei dessen Wiedergabe er sich als ein feinsinniger Klangzauberer und faszinierender Farbenziseleur offenbarte. Er beherrschte dabei die imperiale Geste und das klanglich Ausufernde genauso souverän wie die Feinheiten einer aquarellistischen Skizze oder einer konturenscharfen Federzeichnung. Zunächst bediente sein Bach-Spiel – eingangs erklangen Praeludium und Fuge h-Moll BWV 544 – alle gängigen Interpretationsvorstellungen: scharf getönte und hell klingende Prinzipalstimmen, wuchtige Pedalakkorde als Fundament, unerbittlich strenges Metrum, gradlinig den Spuren des Kontrapunkts folgend. Fürs Praeludium traf dies auch zu. Doch in der Fuge wich er vom Pfad akademischer Auslegung ab, wusste stattdessen mit einem Hauch von mediterraner Leichtigkeit, einer Fülle schnarrender Stimmen aus dem „französischen Manual“ der Woehl-Orgel und einem gravitätisch schreitenden Bass zu überraschen.
Italienische Lebensfreude durchpulste wenig später Bachs Orgel-Adaption von Vivaldis Konzert für zwei Violinen zu seinem Concerto a-Moll BWV 593. Filigran wurde es von Caporaso ausgebreitet, mit Charme artikuliert und glänzenden Diskantstimmen registriert. Kurzum: man konnte sich am munteren Fließen und Sprudeln der Vivaldi-Quelle erfreuen, während das Adagio fast stockend von einer Pausenrast erzählte. Nicht weniger vortrefflich die Wahl von markanten Soloregistern für das motorische Allegrofinale, das sich gläsern und klar ausbreitete. Zum Höhepunkt des Abends wurden jedoch Toccata und Fuge BWV 538, die „Dorische“ genannt. Caporaso ließ das Wunderwerk an satztechnischer Kunst sich ganz aus sich heraus entwickeln und die Hörer an diesem Entstehungsprozess staunend teilhaben. Virtuoses Laufwerk gab es dabei zu bewundern, helle und glanzvolle Strenge, fanfarenhafte Schärfe und Eindringlichkeit in der Fuge. Deren polyphone Strukturen waren wie auf dem Tablett serviert, man brauchte sich gedanklich nur zu bedienen. Grandios, wie Caporaso sie schließlich zu ganzer Herrlichkeit steigerte.
Zwischen diese Bach-Piecen hatte der Organist Ausschnitte aus der Sammlung „Fiori Musicali“ (Musikalische Blumen) von Girolamo Frescobaldi (1583-1643) eingefügt. Ihre schlichte Kunstfertigkeiten, darunter der instrumentale Variationssatz „Bergamasca“ mit seinen volkstümlichen Tanzliedern, erfuhr eine ebensolche Wiedergabe: klangzart, liedhaft, innig, tänzerisch beschwingt, sparsam registriert. Es geht also, die sinfonisch disponierte Woehl-„Königin“ durch passende und spannende Registerwahl zu kammermusikalischer Dezenz zu „verführen“. Ein himmlisches Vergnügen. Peter Buske
Peter Buske
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