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Kultur: Fest in Frauenhand

Céline Rudolph, Ute Lemper und Viktoria Tolstoy bei den Potsdamer Jazztagen – doch für das Besondere sorgte Jacob Karlzon

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Die Frage, die einen während des Konzerts von Céline Rudolph und ihrem Gitarristen Rüdiger Caruso Krause beschäftigte, war, wie es wohl ohne klingen würde. Ohne Verstärkung des Gesangs, ohne Verstärkung der Konzertgitarre, einfach nur auf die feine Akustik in der Kirche am Neuendorfer Anger vertrauend. Denn trotz der Nähe zu den beiden Musikern in der kleinen Kirche am Freitagabend im Rahmen der Potsdamer Jazztage entstand durch die Verstärkung eine Distanz, die erstaunlich befremdlich wirkte. Klar wurde schon nach kurzer Zeit, dass die beiden Musiker auf die elektronische Unterstützung bewusst setzten, da Rüdiger Caruso Krause gelegentlich einen Effekt nutzte oder ein eingespieltes Thema im Hintergrund als Endlosschleife laufen ließ. Doch je länger man Céline Rudolph und ihrem Gitarristen zuhörte, umso stärker drängte die Frage, wie es wohl ohne wäre.

Für einen gewissen Zauber sorgten die beiden mit ihrer Hommage an den französischen Sänger Henri Salvador. Céline Rudolph, deren Mutter Französin ist, hat dessen Lieder für ihr aktuelles Album „Salvador“ ins Deutsche übertragen. Wunderbar kantig und gleichzeitig herzerwärmend. Ein Abend, der im großen Thema Liebe und dem großen Drumherum förmlich badete. Céline Rudolph machte ihre Stimme zu einem vielfarbigen Wunderding, einem Chamäleon, und Rüdiger Caruso Krause malte die entsprechenden Klang- und Rhythmusgemälde auf der Gitarre. Und wieder einmal staunte man, was Stimme und Instrument gemeinsam für eine Kraft entfalten können, auf wie viele unterschiedliche Reisen sie den Zuhörer mitnehmen können.

Reisen waren auch das große Thema von Ute Lemper bei ihrem Auftritt am Samstag im Nikolaisaal. Berlin, Paris, New York und Buenos Aires waren nicht nur die Stationen, die bereist werden sollten, sondern auch die Stationen ihres Lebens. Ute Lemper nahm bei ihrem „Last Tango in Berlin“ die Zuhörer mit auf eine Reise durch die Zeit, durch verschiedene Liebschaften, Städte und Kulturen.

Bei den sanften Tönen, die die kraftvolle und zugleich zarte Sängerin zu Beginn anschlug, fehlte nur noch ein Martini in der Hand, um die Atmosphäre einer Jazzbar zu suggerieren. Zerstört wurde diese Illusion jedoch schon nach wenigen Augenblicken von einigen Zuschauern, die zu einem kollektiven Klatschrhythmus anstimmen wollten, der eher in den Musikantenstadl gepasst hätte. Ute Lemper zog auf der Bühne alle Blicke auf sich, was nicht nur an ihrer Ausstrahlung, sondern vor allem an dem Glitzern ihres Kleides lag. Marcelo Jaime Nisinman mit dem Bandoneon und Vana Gierig am Klavier gerieten dabei fast zu sehr in den Hintergrund. Dabei waren doch sie es, die in bestimmten Momenten mit schnellen Klängen oder langsamen Melodien für die besondere Farbigkeit der Stimmungen sorgten.

Mit Stücken aus „Der Dreigroschenoper“, dem Film „Der Blaue Engel“ und der Komödie „Happy End“ hielt sich Ute Lemper an die Lieder ihres Lebens. Gefühlvoll in den langsameren Passagen, ging ihr manch hoher Ton daneben, was sie stets an den Rand eines musikalischen Abgrundes brachte. Es waren die tiefen Töne, in denen sie überzeugte und den Zuhörern eine Reise in ihr Innerstes ermöglichte.

Mit zu viel Enthusiasmus zwang sich Ute Lemper immer wieder zu einem Mienen- und Gestenspiel, das ein wenig zu überzogen nicht die große Show bewirkte, sondern einen kleinen Hang zum Lächerlichen mitschwingen ließ. Trotz allem war da viel Gefühl und in einigen Momenten Ute Lempers ganz persönliche Erfahrungen und Sentimentalitäten der Musik auf dieser Reise durch ihr Leben ganz deutlich sprübar.

Für die ganz großen Momente bei den Potsdamer Jazztagen, die in diesem Jahr fest in Frauenhand waren, sorgte dann doch ein sympathischer Kerl am Samstag in der Druckerei Rüss. Was der schwedische Pianist Jacob Karlzon an diesem für Konzerte ungewöhnlichen Ort bei seinem Soloauftritt bot, war die ganz hohe Kunst des Jazz. Da legte einer die Töne offen, die Melodien und Themen, die er nutzte, und fing an zu jonglieren. Mal packte er dabei einen mitten ins Herz, genau dort, wo der Schmerz in Schönheit fällt. Dann raste er, dass einem der Kopf schwirrte. Doch immer war da Substanz in seinem Spiel, verlor er sich nicht in Phrasen oder virtuosen Hohlheiten. Karlzon spielte und man war staunend dabei, wie musikalische Städte und surrealistische Landschaften entstanden und mit wenigen Tönen wieder verschwanden, wie ein Raum in Tausende Farben getaucht wurde, wie es nur die ganz Großen im Jazz vermögen.

Als nach der Pause zusammen mit Karlzon die Sängerin Viktoria Tolstoy die improvisierte Bühne betrat, war schnell klar, dass auch hier dem Pianisten, ihrem langjährigen musikalischen Begleiter, die größte Aufmerksamkeit galt. Viktoria Tolstoy nahm es gelassen und es schien, als würde sie sich durch diese Situation besonders herausgefordert fühlen. Den Lyrismen von Karlzon setzte sie ihre betörende Stimme entgegen, kokettierte mit ihm, gab sich mal forsch, dann wieder leidenschaftlich. Ein ausgelassenes Miteinander, ein freundschaftliches Sich messen, das vor lichten Momenten oft funkelte, gelegentlich aber auch die Nacht vor dem großen Panaromafenster zum Leuchten brachte. Wieder dieser Zauber von Stimme und Instrument.

Ach ja, zur Zugabe traten Céline Rudolph und Rüdiger Caruso Krause am Freitagabend dann doch noch ganz unverstärkt in den Kirchenraum. Zart und fast zerbrechlich stieg da „Blackbird“ in die Höhe. Ein Hauch von einem Lied, ganz natürlich und einfach wunderschön. Glücklich, wer das erleben durfte!

Chantal Willers, Dirk Becker

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