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Erinnerung, sprich! Fayd Jungnickel (l.) und Tom Zickler im Filmgespräch mit der Moderatorin Jeanette Eggert (r.).

©  Manfred Thomas

Von Andrea Schneider: Film und Wirklichkeit

Tom Zickler und Fayd Jungnickel erzählen über ihre Geschichte im Film „Friendship!“

Stand:

„Die Hütte ist voll“, wie Moderatorin Jeanette Eggert treffend formuliert, und unter den Gästen kein geringerer als Andreas Dreesen, vielbeachteter deutscher Regisseur, der bekannt wurde durch Filme wie „Nachtgestalten“ oder „Wolke 9“.

Grund für den großen Dienstagabendandrang im Filmmuseum ist der Kinofilm „Friendship!“ und die Anwesenheit von Regisseur Markus Goller und Tom Zickler und Fayd Jungnickel für ein folgendes Filmgespräch. Zickler und Jungnickel liefern die reale Vorlage für „Friendship!“ in dem die Geschichte zweier junger Männer erzählt wird, die nur einige Monate nach dem Fall der deutschen Mauer und trotz minimaler Englischkenntnisse sich den großen Traum von der Freiheit erfüllten und mit buchstäblich leeren Taschen das Abenteuer Amerika angingen. Und nun sind Zickler und Jungnickel nach Potsdam gekommen, um zu erzählen, was ihnen vor 20 Jahren tatsächlich wiederfahren ist, wie viel von dem, was der Film, ihr Film, dem Zuschauer erzählt, wahrhaftig passiert ist.

Der eine, Tom Zickler, ist im Gespräch Träger einer Doppelrolle. Er war nicht nur Zeitzeuge während der Dreharbeiten, sondern gleichzeitig auch der Produzent, bekannt übrigens durch seine Zusammenarbeit mit Til Schweiger, bei der Filme wie „Knocking on Heaven’s Door“ oder „Keinohrhasen“ entstanden sind. Der andere, Fayd Jungnickel, ist ebenfalls im Filmmetier tätig und arbeitet als freier Kameramann. Mit dieser beruflichen Entwicklung schließen die beiden einen Kreis, der sich in „Friendship!“ bereits andeutet. Denn die beiden jungen Männer Veit und Tom, gespielt von Friedrich Müller und Matthias Schweighöfer, sind nicht ziellos in Amerika unterwegs, sondern unter anderem auch, um sich im Metier Film zu probieren. Im Gepäck haben sie einen Super 8-Projektor, mit dessen Hilfe sie in Amerikas Kneipen ihre zu Hause gedrehten kleinen Filme zeigen. Eine der Schlüsselszenen in „Friendship“ ist eine ausnahmsweise gut besuchte Vorführung, in der sich die Jungs kurzerhand entschließen, den ein wenig trashig anmutenden Streifen „Nosferatu“ in der Tasche zu lassen und stattdessen einen selbstgedrehten „Heimatfilm“ zu zeigen. Und plötzlich wird es ganz still im Saal und auf der Leinwand erstehen noch einmal die letzten Momente der DDR. Die Szenen wechseln von Massensportveranstaltungen über große Paraden hin zu den historisch so einschneidenden Montagsdemos.

Moderatorin Jeanette Eggert, die genau wie Tom Zickler und Fayd Jungnickel an der Babelsberger Filmhochschule studiert hat, geht im anschließenden Filmgespräch auch auf diese Szene ein und bescheinigt ihr große Emotionalität. Gleichzeitig möchte sie wissen, wie dicht diese und andere Stellen an dem sind, was damals tatsächlich passierte.

So erfährt das Publikum, dass Tom Zickler bereits im Alter von zwölf Jahren wusste, dass er zum Film wollte. Er bekommt, ähnlich wie einst Andreas Dreesen, vom Vater eine Super 8-Kamera geschenkt und so entsteht unter anderem eben dieser „Heimatfilm“. Und wie die spontane Filmvorführung dieses „Heimatfilms“ entspricht auch sonst fast alles, was das vorangegangene, knapp zwei Stunden lange Roadmovie ausmacht, dem Erleben von Tom Zickler und Fayd Jungnickel vor 20 Jahren im fernen Amerika.

Es stimmt also die Geschichte mit dem Strip in einem Schwulenclub, der im Publikum für großes Gelächter sorgte, und es stimmt auch die Geschichte mit dem Verkauf von gefälschten Mauerstücken. Da haben die zwei aus der finanziellen Not heraus erkannt, dass Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist und ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Haben sich treiben lassen über Tausende von Kilometern, haben sich von Bundesland zu Bundesland gekämpft, ihre Freundschaft getestet und gefestigt und ihr Ziel, die Golden Gate Bridge, westlichster Punkt der Erde, nie aus den Augen verloren.

Eines ist Filmstory: Veits Suche nach seinem Vater. Hier hat Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg etwas dazu gedichtet, um noch einmal die perfiden Methoden der DDR zu thematisieren. Dem Vater gelang scheinbar die Flucht in den Westen und von nun an schreibt er seinem Sohn einmal im Jahr, an seinem Geburtstag, eine Karte, abgestempelt in San Francisco. Veit steht im Film schließlich vor eben jenem Postamt, das der Stempel verrät und wartet auf den Vater. Den entscheidenden Moment allerdings verpasst er und so trifft sein Freund Tom auf den vermeintlich Erwarteten, der in Wirklichkeit ein Fremder und ehemaliges Stasimann ist und erfährt, dass Veits Vater tot ist, beim Fluchtversuch erschossen, und die Postkarten eine Vortäuschung falscher Tatsachen von Seiten der DDR sind, die sich noch ein Maueropfer nicht leisten wollten.

Es folgt eine starke Szene, die von der Trauer Veits lebt und die ihr Ende auf der Golden Gate Bridge in San Francisco findet, über die, genau wie in Veits Visionen dieses Augenblicks, plötzlich ein weißer Trabant fährt.

Regisseur Markus Goller erzählt, dass diese Szene auf der Brücke überhaupt die erste Filmszene ist, die je dort gedreht werden durfte, da die Brücke wegen ihrer großen Anziehung auf Selbstmörder emotional sehr belastet ist und es zusätzlich aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens schlicht gefährlich ist, dort so etwas Ablenkendes wie einen Filmdreh stattfinden zu lassen. Doch die Hartnäckigkeit und der Charme des Filmteams haben schließlich alle Türen und Tore geöffnet und so ein Projekt beendet, durch das sich nach Aussage Gollers ein toller gemeinsamer Spirit zog, „Big Friendship“ eben.

„Friendship!“ läuft noch heute, 20 Uhr, am morgigen Freitag, 18 und 22 Uhr, am Samstag, 3. April, 22.40 Uhr und am Sonntag, 4. April, 18 Uhr, im Filmmuseum, Breite Straße 1A / Marstall

Andrea Schneider

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