
© Steffan Hill
Jüdisches Filmfest in Potsdam: Filme, die aufstoßen
Die 21. Ausgabe des Jüdischen Filmfests Berlin und Potsdam startet am Sonntag unter dem Motto "Lecker Film - Filme, die aufstoßen". Es wird aber keine leichte Kost gezeigt. Was die Zuschauer erwartet.
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Potsdam - Rauf und runter. Schlucken und aufstoßen. Leichtes und Schweres. Beim Jüdischen Filmfest Berlin und Potsdam geht es in diesem Jahr um zwei gegenläufige Bewegungen. „Lecker Film – Filme, die aufstoßen“ steht es im weit geöffneten Männermund auf den Plakaten. „Juden und Essen, das ist ein Dauerthema, Juden essen einfach furchtbar gerne“, sagt Festival-Chefin Nicola Galliner. Ganz so sinnlich und leicht kommen die Zuschauer aber natürlich trotzdem nicht davon, denn vieles, was auf den ersten Blick wie ein netter Film wirke, könne dann doch in der Kehle stecken bleiben. „Uns geht es um den zweiten Blick“, so Galliner.
Mit einem zweiten Blick im doppelten Sinne startet das Festival seine 21. Ausgabe im Jahr 70 nach der Schoah. „The Eichmann Show“, dem Doku-Drama von Paul Andrew Williams, eröffnet das Filmfest am Sonntagabend im Hans Otto Theater. „Ein sehr berührender und packender Film“, sagt Nicola Galliner. Williams, der Regisseur, hat dafür Originalaufnahmen des 1961 in Jerusalem stattfindenden Prozesses gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann – dem Organisator der „Endlösung“ – mit der Geschichte des amerikanischen Filmteams um Produzent Milton Fruchtman – gespielt von Martin Freeman – verknüpft. Der brach damals nach Jerusalem auf, um die Welt teilhaben zu lassen.
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Der Prozess gilt als einer der spektakulärsten der Nachkriegszeit, er wurde in 37 Ländern, darunter Deutschland, Amerika und Israel, im Fernsehen übertragen und so zu einem globalen Medienereignis. „Das war damals eine enorme technische Herausforderung, die Filmrollen mussten ja alle noch per Flugzeug verschickt werden“, sagt Nicola Galliner. Ein riesiger Aufwand – der allerdings mehr als nötig war: „Damit wurde für viele zum ersten Mal klar, was eigentlich passiert war. Auch Überlebenden, die nach dem Krieg nach Israel kamen, hat man teilweise einfach nicht geglaubt.“
Hitler zur Lächerlichkeit verdammt
Sehr viel leichter, wenn auch nicht ohne Tiefgang, geht es in „Mrs. Meitlemeihr“ zu, einem Film, der sich auf ganz andere Art dem Ende des Zweiten Weltkrieges widmet – oder besser dem Ende, das man Hitler gewünscht hätte. „Mit seinem Selbstmord ist er ja schon zu leicht weggekommen“, sagt Nicola Galliner. Graham Roses Film von 2002 entwirft ein anderes Szenario, eines, das zwar schräg, aber zufriedenstellender ist: Der irre Plot lässt sich in etwa so zusammenfassen: Nachdem Hitler, gespielt von Udo Kier, sich aus seinem Bunker gestohlen hat, versteckt er sich dort, wo ihn keiner erwartet: in London. Um unerkannt zu bleiben, verkleidet er sich als Frau und wird zu Mrs. Meitlemeihr. Die weckt nun ausgerechnet das Interesse des jüdischen Witwers Lenny Veldermann – eine Begegnung, die nur im Desaster enden kann. Zumindest für den zur Lächerlichkeit verdammten Hitler.
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Wenig jüdische Filmemacher in Deutschland
Über das Grauen zu lachen, es damit weniger mächtig zu machen, das war schon immer eine gute Strategie – allerdings eine, die den Deutschen nicht so liegt. Das zumindest hat der Wiener Filmwissenschaftler Frank Stern zuletzt im PNN-Interview angedeutet, als er sagte: „Der deutschsprachige Film mit jüdischen Themen ist unwahrscheinlich vergangenheitsbehaftet, wobei Vergangenheit sehr selten die reiche und differenzierte jüdisch-deutsche Kulturgeschichte betrifft. Und wenn er in die Gegenwart springt, wird er meist peinlich.“
Ein wenig hilflos findet auch Nicola Galliner manchmal deutsche Produktionen mit jüdischen Themen, allerdings, sagt sie, sei das auch verständlich, eben weil das Thema hier belastet sei. Dazu komme: „Es gibt eben sehr sehr wenige jüdische Filmemacher in Deutschland – aber: es werden mehr, es entwickelt sich, es entsteht etwas neues, etwas frisches sagt Nicole Galliner und verweist etwa auf die HFF-Absolventin Ester Amrami, die mit ihrem Spielfilmdebüt „anderswo“ schon auf der Berlinale 2014 großen Erfolg hatte – und im vergangen Jahr auch auf dem Jüdischen Filmfestival zu sehen war. Ein großer Teil der diesjährigen Filme kommt in diesem Jahr interessanter Weise aus Großbritannien und aus den USA, wie etwa „Deli Man“ von Erik Greenberg Anjou, der in die Welt der Delicatessen Stores in den USA einführt, die dort gerade eine Renaissance erleben. „In Berlin kennt man diesen Teil der jüdischen Kultur fast gar nicht mehr, der ging mit der Nazi-Zeit verloren“, sagt Galliner. Da liegt es also ganz nah beisammen – das Leckere und das Würgen.
Das Jüdische Filmfest zeigt Filme vom 10. bis zum 20. Mai.
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