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Kultur: Finger-Artistik auf zwei Flügeln

Christine Schornsheim mit „Clavierentdeckungen“ im Palmensaal

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Das Konzert war eine Hommage an gepflegte Kammermusik. Mit elegant perlenden Tönen und virtuoser Fingerfertigkeit zelebrierte Christine Schornsheim auf zwei historischen Tasteninstrumenten im Palmensaal der Orangerie des Neuen Gartens Werke von Joseph Haydn, Johann Abraham Peter Schulz sowie von Christoph Ernst Friedrich Weyse. Natürlich wussten die Zuhörer, was sie von der Haydn-Fantasia in C-Dur erwartete, nämlich eine entspannende und Vergnügen bereitende Musik, doch bei Schulz und Weyse war man sich nicht sicher. Die Musikfestspiele mit ihrem Skandinavien-Thema machen es möglich, Unbekanntes zu entdecken. Auch in Sachen Tasteninstrumente. Neben dem Hammerflügel aus dem Jahre 1795 gewann der dunkel-warme Klang des Tangentenflügels besondere Aufmerksamkeit. Das Instrument, das in Regensburg 1790 gebaut wurde, schien den meisten Zuhörern noch nicht vertraut gewesen zu sein.

Der Tangentenflügel arbeitet mit Holzstäbchen statt Hämmern, ähnlich wie das damalige Hammerklavier, und verfügt dadurch über ein umfangreiches Klangspektrum. Erstaunlicherweise ist die Pedalwirkung, die für Kompositionen späterer Epochen unverzichtbar wird, auf diesem Instrument durch Betätigung einer der sogenannten Effekt-Züge möglich. Dass die musizierten Kompositionen mit ihrer expressiven und empfindsamen Tonsprache nach dem Hammerflügel sowie dem Tangentenflügel verlangen, wurde an dem Abend deutlich. Christine Schornsheim lotete die Möglichkeiten der Instrumente bis zum Äußersten aus – ganz im Sinne der Komponisten. Die dynamische Bandbreite der Instrumente und ihre differenzierten Klänge ließen angebliche Defizite des Hammer- und Tangentenklaviers gegenüber dem modernen Flügel vollends vergessen. Es müssen halt Spezialisten ans Werk.

Mit Johann Abraham Peter Schulz, der in Deutschland weitgehend mit seinem Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“ bekannt geworden ist und der in Dänemark ein angesehener Hofkapellmeister und Komponist war, begann und beendete Christine Schornsheim das Konzert: mit den „Six Diverses Pièces pour le Pianoforte op.1“ und „Sonata per il Pianoforte op. 2“. Sie wurden einfühlsam und technisch brillant von der Musikerin, die zu den renommiertesten Interpretinnen auf historischen Tasteninstrumenten gehört, mit elegant perlenden Tönen zelebriert. Verspielt, locker, fröhlich erklangen die Allegro-Sätze der Sonate, zart und sensibel die Andante-Sätze sowie das Larghetto mit den Variationen in den sechs diversen Piecen. Christine Schornsheim demonstrierte auch auf dem Hammerflügel eindrücklich, welche Klangvielfalt in dem Instrument steckt. Man glaubte bei jedem Stück ein anderes Register zu hören. Es war eine Hommage an gepflegte Kammermusik

Christoph Ernst Weyse, Organist der Kopenhagener Frauenkirche und Schüler von Schulz , muss wohl ein Tastenvirtuose auf der Orgel sowie auf dem Flügel gewesen sein. Seine von Christine Schornsheim auf dem Tangentenflügel gespielten Werke (Allegri di bravura sowie das Thema mit Variationen) verlangen eine ungeheure Fingerfertigkeit. Man hatte den Eindruck, dass Weyses Devise lautete: Hauptsache Virtuosität. Mit der Zeit flachte jedoch das Interesse ab. Reine Finger-Artistik ruft alsbald Langeweile hervor. Das Publikum im Palmensaal war von Christine Schornsheims freudigem und herausforderndem Spiel begeistert und spendete herzlichen Beifall. Klaus Büstrin

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