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Kultur: Finnischer Horizont

Etwas Kaurismäkisches: Eröffnung der Ausstellung Finnischer Winter im Filmmuseum

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Etwas Kaurismäkisches: Eröffnung der Ausstellung Finnischer Winter im Filmmuseum Von Matthias Hassenpflug Nun, Klischees stimmen eigentlich selten. Der glänzende finnische Abend am Donnerstag im Filmmuseum zeigte hingegen, dass die Finnen wirklich so sind, wie ihnen die Kult-Regisseure Mika und Aki Kaurismäki filmische Denkmäler gesetzt haben: wortkarg sind sie, ehrlich und grundsympathisch. Wie der Künstler Timo Jakola, dem im Obergeschoss des Filmmuseums eine große Ausstellung mit über 100 Bildern gewidmet ist. Zu deren Eröffnung – im Publikum sitzen der ebenso liebenswerte finnische Botschafter René Nyberg und der Direktor des Berliner Finnland Instituts Hannes Saarinen – wendet sich Jakola auf Finnisch dem Publikum zu und spricht einen jener Kaurismäki-Texte: „Wir sind Jungen des Nordens, wir reden nicht viel – und müssen es auch nicht. Wir sind rauh, aber wir haben ein großes Herz. Wir sind auf der Seite des kleinen Mannes, gegen eine große, schlechte Welt.“ Mehr sagt er nicht und er braucht es auch nicht. Und sicher gilt das auch für die Musiker von „Poutahaukat“, die mal eben auf geliehenen Gitarren ein Lied unplugged spielen, um einen Vorgeschmack zu liefern, was später in den blutroten Räumen der gerade wieder eröffneten Stube oben im Spartacus für Frohlocken sorgen wird. Filmmuseumsdirektrice Bärbel Dalichow, die seinerzeit in Berlin Jakolas Spur aufgenommen und bis in den finnischen Winter nach Lahti, wo der 1957 geborene Maler sein Atelier besitzt, verfolgt hat, berichtet von einem Briefwechsel, in dem Jakola von der Schwierigkeit schreibt, Bilder für die einfach spektakuläre Schau im Marstall auszusuchen. Alle mussten mit. So hängen in dieser tollen, weißen Atelierschlucht einhundert Bilder, doch längst nicht das Gesamtwerk des Finnen. „Ich bin ein Workaholic“, meint Jakola, „ich male pro Jahr zwei- bis dreihundert Bilder.“ Zu sehen sind Autos, Lichter, Einsame, meist mit dem Rücken zum Betrachter gewandt. „Mit fünf Jahren sah ich die Rückleuchten von Autos in der Nacht. Das hat mich nicht mehr losgelassen.“ Jakola malt in Pastell, denn der Glanz der Ölfarbe gefällt ihm nicht. Und immer sind es Häuserschluchten und Bürgersteige, die es wirklich gibt. Man muss sich also vorstellen, dass Jakola, der Vielmaler, ständig nachts auf Motivsuche geht, die er mit seiner Digitalkamera festhält. Zu den Kaurismäkis, die unweit seiner Heimatstadt Lahti geboren wurden, hält Timo Jakola eine Seelenverwandtschaft. Finnische Trübsal und Melancholie finden sich hier wie dort. Die in der Schau „So weit die Nacht reicht“ ausgestellten, auch zu erwerbenden Werke beziehen sich explizit auf Kauriskmäki Filme. In der Stimmung ähneln die Werke denen des Amerikaners Edward Hopper, doch Jakola versichert glaubhaft, mit Hopper erst vor Kurzem in Berührung gekommen zu sein. Die Bilder hier variieren sehr im Format, ein See erstreckt sich über einen Meter in der Breite, dafür ist das Gemälde vielleicht nur 20 Zentimeter hoch – der finnische Horizont. Die Hängung ist sehr dicht, an manchen Stellen des langen Ausstellungsganges meint man, an einer nächtlichen Kreuzung, inmitten einer finsteren, nasstrüben finnischen Winternacht zu stehen. Doch das Schwarz nutzt Jakola nur, um Motive aus seinen Bildern herauszuheben – etwas „Kaurismäkisches“, sagt Jakola. Nichtfinnen würden dafür vielleicht Weiß nehmen. Das Ende der beeindruckenden Exposition ist dem Kaurismäki-Vorbild Teuvo Tulio (1912-2000) gewidmet. Seine schwarzweißen Melodramen werden Ende Januar im Filmmuseum gezeigt. Expressive Massenschlägerei in einer finnischen Sauna inklusive. Kaurismäkis Werke laufen im Filmmuseum bis in den Dezember. Timo Jakola im Internet: vanhapaloasema.com; Aktuelle CD von Marko Haavisto „Wenn Du wüsstest ...“, 2004.

Matthias Hassenpflug

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