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Kultur: Flüchtig

Gilad Hochmans „Brief Memories“ im Nikolaisaal

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Es sind flüchtige Momente, vage Erinnerungen, die Gilad Hochman festhalten will. Ein Geruch, der vorüberweht, ein Geräusch, das so schnell wieder verschwindet, wie es gekommen ist. Augenblicke nur, die etwas wachrufen, das lange schon zurückliegt, vergessen schien, jetzt aber mit Macht für einen kurzen Moment nach oben spült und einen mit dieser Plötzlichkeit der Erinnerung förmlich überwältigt.

„Brief Memories“ hat Gilad Hochman seine Komposition für Streichtrio genannt, in der er diese kurzen, flüchtigen Erinnerungen festhalten will. Am heutigen Mittwoch wird Hochmans Komposition im Konzert „Neue Kammermusik aus Israel“ in der Reihe „KAPmodern“ der Kammerakademie im Foyer des Nikolaisaals vorgestellt. Der 28-jährige Hochman ist dabei einer von sechs zeitgenössischen Komponisten aus Israel, deren Werke in Potsdam gespielt werden.

Gilman, der trotz seines jungen Alters als einer der prominentesten, zeitgenössischen Komponisten Israels gilt, ist ein stiller und freundlicher Mensch, der sein Gegenüber genau beobachtet und sich Zeit zum Überlegen lässt, ehe er auf die an ihn gestellten Fragen antwortet. Ein introvertierter, aber äußerst herzlicher Mensch, mit dem sich trefflich über Musik reden lässt. Für seine Kompositionen, für die Hochman in seiner Heimat unter anderem schon mit dem Prime Minister Award ausgezeichnet wurde, zieht er sich manchmal für Wochen zurück. Eine Einsamkeit, die nicht selten an Isolation grenzt. Trotzdem, seine Musik ist nicht reiner Selbstzweck. „Meine Musik ist immer ein Dialog, der sein Publikum braucht“, sagt Hochman.

In seinen Kompositionen lässt er sowohl traditionelle jüdische als auch neue Musik einfließen. Und auch wenn Hochman als seinen größten Einfluss Beethoven nennt, ist er ein durch und durch moderner Komponist. Einer, der sein Publikum fordert, es aber nicht mit Abstraktem und überzogenen Klangkaskaden überfordert. Das knapp neunminütige „Brief Memories“ ist ein Stück, das sich minimalistisch und schwermütig, aber auch humor- und effektvoll entfaltet. Keine Musik, die einfach nur zu Herzen geht und dann schnell wieder vergessen wird. Gilad Hochmans Kompositionen gehen über die Ohren des Zuhörers hin zum Kopf und finden erst dann den Weg zum Herzen.

Hochman kennt die Vorbehalte gegenüber zeitgenössischer klassischer Musik. „Aber ich lebe im Heute und Jetzt“, sagt er. Ob Film, Literatur, Pop- und Rockmusik, hier werden ständig neue Wege gesucht und beschritten. Das geschehe nun mal auch in der klassischen Musik. Wer die bekannten Vorbehalte ignoriert und sich als Zuhörer darauf einlässt, der kann mit Hochmans „Brief Memories“ erleben, welch hochspannenden und außergewöhnlichen Wege sich einem dabei offenbaren. Dirk Becker

Neue Kammermusik aus Israel mit Musikern der Kammerakademie heute, 20 Uhr, im Foyer des Nikolaisaals, Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Der Eintritt kostet 15 Euro

Dirk Becker

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