
© Naturkundemuseum
Von Klaus Büstrin: Forscher, Philosoph und Künstler
Zum 90. Todestag des Potsdamers Ernst Haeckel. Eine Ausstellung im Naturkundemuseum
Stand:
In der Straße Am Kanal – heute Yorkstraße 7 – ist eine Gedenktafel für den Zoologen und Philosophen Ernst Haeckel angebracht. In diesem Haus wurde er am 14. Februar 1834, also vor 175 Jahren, geboren. Nicht einmal ein Jahr alt war Ernst Haeckel, da zogen die Eltern von Potsdam nach Merseburg. Carl Gottlob Haeckel wurde als Oberregierungsrat in die preußische Provinzhauptstadt berufen. Somit verbrachte dort Ernst seine Kindheit und Jugend. Als gestandener Mann kehrte er aber immer wieder in seine Heimatstadt an der Havel zurück, um seine Eltern, die nach der Pensionierung des Vaters wieder nach Potsdam zurückgezogen waren, zu besuchen. Da war Haeckel in Deutschland und darüber hinaus bereits ein berühmter Zoologe und Philosoph, er lehrte der an der Universität Jena. Vor allem die Verbreitung des Darwinismus machte ihn populär und brachte ihn viel Feind und viel Ehr. Gestern vor 90 Jahren, am 9. August 1919, starb er in seiner Villa Medusa in Jena.
Zu den diesjährigen Gedenktagen von Ernst Haeckel wurde im Naturkundemuseum Potsdam dieser Tage eine Gedenkausstellung eröffnet. Sie wurde vom Phyletischen Museum der Schiller Universität Jena konzipiert. Auch der Geburtstag des britischen Evolutionstheoretikers Charles Darwin, der sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, war ein Anlass diese Schau zu veranstalten.
Die Haeckel-Ausstellung besteht vor allem aus Tafeln, die im Treppenhaus des Museums Platz gefunden haben. Der Wissenschaftler und Künstler wird mit informativen, jedoch endlos langen und trockenen Textpassagen als Forschungsreisender, Systematiker, Embryologie und Entwicklungsbiologe vorgestellt. Einige Exponate, die in drei Vitrinen untergekommen sind, lockern die Ausstellung ein wenig auf. Doch inmitten der sehr voll gestellten Wand im Foyer machen sie einen eher unglücklichen Eindruck. Die gezeigten Aufzeichnungen und Bücher des Wissenschaftlers, die von ihm in Gläsern konservierte Pumpende Straußweichkoralle, die Seeanemone oder der Kraftröhrenwurm illustrieren die Exposition. Neben vom Phyletischen Museum Jena hat auch der Potsdamer Arzt Klaus-Peter Flegel Leihgaben zur Verfügung gestellt. Die Exponate stammen aus dem Nachlass seines Urgroßvaters Heinrich Flegel, der Jurist zur Zeit Haeckels an der Universität Jena war. In den Auseinandersetzungen mit der Kirche vertrat er Haeckel juristisch. Der „deutsche Darwinist“ forderte eine naturwissenschaftliche Ausrichtung der Volksschule und die Abschaffung des Religionsunterrichts.
Mit dem sogenannten Monismus, einem von ihm betriebenen weltanschaulichen Gedankengebäude, geriet er in die ideologische Nähe der damaligen Freidenkerbewegung. Dies rief natürlich den Widerspruch der Kirchen hervor. Dass der Universitätsprofessor den Juristen schätzte, geht auch aus der Einladung zu seinem 60. Geburtstag hervor. Die künstlerisch gestaltete Speisekarte zum Festessen bewahrte Kanzleirat Heinrich Flegel auf, auch das gerahmte Foto mit der eigenhändigen Widmung Haeckels vom 5. Mai 1909.
Erinnert wird im Naturkundemuseum an die noch zu Haeckels Lebzeiten große Popularität erlangten „Kunstformen der Natur“. Fast in jedem Haushalt waren um die Wende des 19./20 Jahrhunderts neben Brehms Tierleben die Zeichnungen von Radiolarien, Kalkschwämmen, Medusen und Quallen des Wissenschaftlers zu finden. Sie sind von großem ästhetischen Reiz und gehören zu den schönsten wissenschaftlichen Zeichnungen. Seine Darstellungen beeinflussten die Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts, vor allem den Jugendstil.
Die „Kunstformen der Natur“ waren vor acht Jahren in der Sanssouci-Orangerie zu erleben, veranstaltet vom Brandenburgischen Literaturbüro und vom Museumsverband des Landes Brandenburg. An diese eindrucksvolle Schau erinnert man sich noch heute gern. Die damals im Vacat Verlag erschienene Begleitbroschüre „Welträtsel und Lebenswunder“, unter anderen mit einem Essay von Durs Grünbein, gibt einen wunderbaren Einblick in Haeckels Werk und Leben. Auch seine Besuche in Potsdam werden darin beleuchtet. Denn in seiner Geburtsstadt trat er des Öfteren mit Vorträgen an die Öffentlichkeit. Nach einer Veranstaltung im Palast Barberini im Jahre 1876, wo Haeckel über das Leben der Urtiere sprach, teilte er in einem Brief mit: „Meine Potsdamer Vaterstädter spendeten mir lebhaften Beifall.“ Dennoch scheint Haeckels Verhältnis zu Potsdam gespalten. Kam er doch mit fortgeschrittenem Alter zu der Auffassung, dass „Potsdam ein ödes Nest“ sei.
Bis 28. Februar 2010, Di bis So 9-17 Uhr, Naturkundemuseum Potsdam, Breite Straße 13; „Welträtsel und Lebenswunder“, erhältlich im Brandenburgischen Literaturbüro, Tel. 0331/2804103.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: