Kultur: Fortgehen und Verändern
Die Potsdamer Schriftstellerin Helga Schütz feierte ihren 70. Geburtstag
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Zwischen den Buchseiten von „Knietief im Paradies“ liegt eine Postkarte mit einer historischen Ansicht der Dresdner Frauenkirche. Helga Schütz“ Roman führt in das Dresden der Nachkriegsjahre und erzählt die Geschichte des halbwüchsigen Mädchens Eli. Die Potsdamer Schriftstellerin gibt keine überschwenglichen und vordergründigen Beschreibungen der Stadt an der Elbe. Sie weiß die sinnlose Zerstörung im Februar 1945 und den zaghaften, doch hoffnungsvollen Aufbau in Dresden, die verbliebenen Schönheiten so zu integrieren, dass die Stadt immer sichtbar bleibt. Dresden ist für Helga Schütz ein wichtiger Ort. Dort verbrachte die aus Schlesien Stammende ihre Kindheit und Jugend. Gärtnerin lernte sie dort. Und Gärtnerin ist auch die Titelheldin Eli in „Knieftief im Paradies“.
Die Gärten, die Pflanzen, die Bäume, sie sind für Helga Schütz ebenfalls ein großes Thema – vor allem in den vergangenen Jahren. Mit welcher Liebe, Kenntnis zur Botanik und zum Gärtnern erzählt sie beispielsweise in „Dahlien im Sand – Mein märkischer Garten“. Er ist ein Waldgarten, in dem man „wunderbar warme, nach Kiefernnadeln duftende Augenblicke“ findet. „Man atmet, man verweilt. Man akzeptiert das Krumme und Schiefe. Vergibt Marotten, verzeiht“. Dieses grüne Areal befindet sich in Babelsberg. Es ist nicht der erste Garten, mit dem sie umzugehen hat. Im Park Sanssouci arbeitete sie als Gärtnerin, in Groß Glienicke betreute sie ein Stück des Hausgartens, der direkt im Grenzgebiet lag. „Betonsegmente werden aufgetürmt. Alles an einem Tag. In wenigen Stunden ist die Mauer fertig ... Die Grenze sollte ringsherum nicht nur todsicher, sondern auch modern sein. Statt Stacheldraht nun Beton“ (Aus „Grenze zum gestrigen Tag“). Die Mauer im Garten. Auch das war Potsdam und die Umgebung. Die Grenze erlebte Helga Schütz schon in den fünfziger Jahren in Babelsberg, als sie an der Filmhochschule Dramaturgie studierte, und die deutsche Teilung in den Villengärten am Griebnitzsee immer deutlicher wurde.
Als Szenaristin bei der DEFA machte sie sich einen Namen für Filme, die von Regisseur Egon Günther verwirklicht wurden. Beispielsweise „Lots Weib“, bei der auch ein Stück DDR-Wirklichkeit satirisch aufs Korn genommen wurde. Oder für Lothar Warneke schrieb sie den Film „Addio, piccola mia“. Indem sie über Georg Büchner reflektierte, wurde verschlüsselt über die Gegenwart im „sozialistischen“ Land erzählt. Dem Fernsehfilm „Ursula“ nach Gottfried Keller sprach man 1978 nach der Erstausstrahlung ein Sendeverbot aus. Man kreidete ihm angebliche pornografische Exzesse an.
Doch Helga Schütz hat sich nie auf Filmszenarien beschränkt. Sie hat viel beachtete Bücher geschrieben. Schon ihren ersten wie „Vorgeschichten oder Schöne Gegend Probstein“ und „Festbeleuchtung“ waren Erfolge beschieden. Man findet in diesen und in den späteren Büchern, wie auch „In Annas Namen“, immer autobiografische Bezüge. Und in diesem Roman spielt auch Potsdam eine große Rolle.
Potsdam und Dresden. Gestern las Helga Schütz anlässlich ihres 70. Geburtstages in der Frauenkirche Dresden aus einem noch nicht fertigen Manuskript: „... wo die Zitronen blühen“ – eine Fortsetzung der Eli-Geschichte aus „Knietief im Paradies“.
Wenn sie aus Dresden zurückkommt, wird sich Helga Schütz wieder an ihren Schreibtisch in Babelsberg, mit Blick auf den märkischen Garten, setzen, um am Text weiter zu schreiben. Fortgehen und Verändern ist das Thema.
Klaus Büstrin
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