Kultur: Frauen an die Macht
„Die Weibervolksversammlung“ in der Benkert16
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„Die Weibervolksversammlung“ in der Benkert16 Politikmüde sind die Bürger, gehen nur noch zur Volksversammlung, um sich das Korn abzuholen, das jeder Anwesende vom Staat erhält. Die Frauen sehen die Missstände: „Hin schleppt der Staat sich lahm wie Aisimos, denn jeder sucht Gewinn für sich!“ Sie verkleiden sich als Männer, kommen in Massen zur Versammlung und Praxagora, ihre Anführerin, redet: „Den Weibern, rat ich, müssen wir den Staat ganz überlassen! Führen sie zu Hause doch auch die Wirtschaft als Verwalterin!“ Die paar tatsächlichen Männer werden spielend überstimmt, Praxagora wird Staatsoberhaupt. Als szenische Lesung war die „Weibervolksversammlung“ von Aristophanes (um 445- um 385 v. Chr.) in der Galerie „Benkert16“ im Holländischen Viertel zu erleben. Die Kurzfassung für vier Schauspielerinnen hatte die zur Zeit freie Schauspielerin Sonya Martin bereits vor vier Jahren geschrieben. Dann kamen Engagements dazwischen und schließlich kam die Zufallsbegegnung mit Christina Fischer und Hans-Georg Hendel, die Anfang 2004 die Galerie am Gontard-Pavillon eröffnet haben. Die Künstlerin Christina Fischer (Künstlerinnenname: Sustersic) bereitete gerade ihre nächste Ausstellung vor. Sie hatte ein Blatt mit dem Satz: „Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen“ beschrieben. Durch vielfache Überlagerungen des Blattes mit stufenweise verkleinerten Kopien seiner selbst entstanden geometrisch-dynamische Formen aus Schrift, die plastisch aus der Fläche hervor- oder in sie zurückzugehen scheinen. Zumindest thematisch ein gutes Bühnenbild für die „Weibervolksversammlung“. Ebenso wie die kleinen Plastiken fülliger nackter Frauen, die an der einen Seite des Raumes auf dreieckigen Stelen lagerten. Denn was die Frauen von Athen beschließen, ist folgendes: „Alles wird künftig Gemeingut sein! Nicht Reiche mehr gibt es noch Arme.“ Alles, auch die Frauen, bzw. die Männer. Die Spiellust und die voluminösen Stimmen der vier Schauspielerinnen sprengte oft fast den kleinen Raum mit seinen drei Stuhlreihen. Besonders der freien Schauspielerin Hilde Schröter (als Praxagora) gelangen der freundlich-ironische Ton und das scheinheilige Lügen. Sonya Martin war die Freude an witziger Übertreibung anzumerken, die ständig Gefahr lief, einen Hauch zu dick zu werden. Die freie Schau- und Puppenspielerin Angelica Bennert hatte ihre Glanzszene als Jüngling mit schwarzer Krausperücke: Alte: „Du willst zu mir, mein Freund?“ „Mich soll der Henker holen! Nein! Die Übersechzigjähr“gen kommen heute nicht dran...“ „So war“s wohl unterm alten Regiment, mein Schatz! Jetzt aber kommen wir zuerst!“ Bis der Jüngling die junge Geliebte sausen lässt: „Barmherz“ge Götter, nein! Zwei ist zuviel für einen Reitersmann!“ Etwas blass blieb die zur Zeit freie Schauspielerin Anna von Hof. Doch die Dialoge von Aristophanes, dem ersten großen Komödienschreiber des Abendlandes, machten das wett, was vielleicht in der Darstellung zu plump oder zu theatralisch geriet. Das mag mit an der Enge des Raumes gelegen haben, zu dem eine szenische Lesung in feiner herausgearbeiteten Tönen besser gepasst hätte. Doch wer sich in diesem Raum mit 24 Stühlen und zwei großen Fenstern zum Gehweg hinaus erproben möchte, ist herzlich eingeladen. Die Galerie Benkert16 soll eine offene Plattform sein, erklärte Hans-Georg Hendel. Er hofft, dass darstellende Künstler oder auch Studierende diese Möglichkeit nutzen werden und den einstigen Wohn- und Schaffensort des Architekten Carl von Gontard, der Friedrich II. diente, zu neuem (Kleinkunst)Leben erwecken.Dagmar Schnürer Zweite Aufführung der „Weibervolksversammlung“: 2. April, 19.30 Uhr.
Dagmar Schnürer
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