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Kultur: Frauen in Blau

Im Einstein Forum sind bis Dezember Gemälde von Sarah Haffner zu sehen

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Wer derzeit nach Einbruch der Dunkelheit über Potsdams Neuen Markt schlendert, kann sich glücklich schätzen, wenn im oberen Stock des Einstein Forums noch Licht brennt. Komplementär zu den tiefgelben Wänden und in enormer Größe deutlich hervortretend, sind dann nämlich auch en passant ohne Mühe drei blaue Frauen zu erkennen. Gleichsam geduldig, fast ein wenig desinteressiert, keinesfalls aber abwehrend, lassen sie sich selbst von der Straße aus betrachten. In abstraktem Realismus gehüllt, stehen sie mithin im Widerspruch zum pittoresk restaurierten Ensemble der Gebäude ringsum, das in letzter Zeit des Öfteren als Kulisse Realität heischender Historienfilme herhalten muss.

Wer von den Frauen angelockt, das Einstein Forum betritt, wird als Auftakt zu einer kleinen Ausstellung großer Gemälde von Sarah Haffner gleichwohl keine Frauen, sondern mit „Summer Sleeper“ und „Winter Sleeper“ zwei junge Männer vorfinden. Anders als die der Frauen zeigt sich deren Haltung. Zwar ruhen sie den Frauen gleich in sich selbst, ihre Bildnisse sind auch fast ebenso groß und fast ebenso blau gehalten wie die Frauen im Obergeschoss. Doch vollkommen in sich gekehrt überstehen die Männer nur in embryonaler Haltung das Jahr.

In ihrer Autobiographie beschreibt die Künstlerin, wie sie irgendwann ihren Stil zwischen Abstraktion und Realismus gefunden hat. Malerei ist für sie nicht nur abstrakt wie die Musik, jedoch auch nicht erzählend wie die Literatur, liege vielmehr dazwischen.

Besonders die drei bereits aus der Ferne betrachteten großflächigen Frauenbilder deuten bei direktem Anblick die Bedeutung von Haffners Programmatik an. „Rückblick“ aus den Jahren 1991 bis 1997 etwa ist alles andere als ein realistisches Gemälde und erzählt mithin mehr als eine Geschichte aus dem Leben der porträtierten ebenso starken wie nachdenklichen Frau. Auch die „Große Kranke“ (1997) liegt schwer gebeutelt auf dem Krankenlager. Dennoch strahlt sie ein Höchstmaß an Würde und Eleganz aus, das ihr niemand, noch nicht einmal der Tod, nehmen wird. Auch hier reiben sich, wie Haffner selbst es beschreibt, Objekt und Abstraktion, entsteht Kunst, indem Öl und Nessel großflächig eine Symbiose eingehen.

Die in Berlin lebende Malerin Sarah Haffner, ist offenbar ebenfalls bemüht, der Realität näher zu kommen. Doch der eklektische Weg ist nicht der ihre. Wenn sie male, so die 1940 im britischen Exil geborene Tochter des Publizisten und Historikers Sebastian Haffner, versuche sie drei Ebenen der Wirklichkeit zu verknüpfen: eine äußere, eine innere und eine auf der Bildebene gelagerte. Dass Sarah Haffner sich dabei nie mit der Realität ihrer Bilder zufrieden gegeben hat, zeigte sie als streitbare Mitarbeiterin von Frauenhäusern und in Publikationen zur Gewalt in der Ehe.

Zwischen den Männern am Eingang und den Frauen im oberen Stockwerk zeigt die Potsdamer Ausstellung noch vier Gemälde: „Morgen, Mittag, Abend, Nacht“. In verschieden abgeschatteten Blautönen sind Häuserfassaden zu sehen. Auch hier ist die Lichtquelle nicht genau zu verorten, das Blau wie in allen ausgestellten Bildern dominierend. Die Straßen jedoch sind menschenleer, die Gebäude geometrische Quader ohne Fenster.

Nicht jeder sucht die Realität inmitten detailgetreu restaurierter barocker Gebäude. Einfach ist dieser Weg nicht, beinhaltet jedoch die Möglichkeit, weit mehr zu finden als eigentlich gesucht wurde.

Geöffnet von Montag bis Freitag (9 bis 16 Uhr) im Einstein Forum, Am Neuen Markt 7, bis Mitte Dezember zu sehen.

Moritz Reininghaus

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