zum Hauptinhalt

Kultur: Frauen spielen schön, Männer führen

Von den klassischen Rollen im Orchester

Stand:

Die Idee von der Gleichberechtigung von Mann und Frau ist auch in der Orchesterlandschaft angekommen – aber bis zu Ende gedacht ist sie längst nicht. Zwar spielen immer mehr Frauen in renommierten Orchestern und gewinnen Probespiele. Aber noch immer traue man Männern mehr zu, die Führung zu übernehmen, sagt Rebekka Adler. Sie ist Professorin für Bratsche an der Universität der Künste (UdK) in Berlin und spielte jahrelang als stellvertretende Solobratschistin bei den Münchner Philharmonikern. „Ich finde das eine sehr bedenkliche Entwicklung“, sagt die 38-Jährige.

Orchester sind als sozialer Raum stark von Geschlechterstereotypen geprägt. Viele konservative Orchester, wie etwa die Wiener Philharmoniker, hatten üblicherweise – bis auf die Harfenistin – gar keine Frau in ihrem Klangkörper. Das hat sich inzwischen geändert, viele Frauen überzeugen bei Probespielen. „Es gibt immer mehr Frauen, vor allem bei den Streichinstrumenten“, sagt Adler. Spielen tun sie vor allem aber in den Tutti-Positionen, sei es bei den Streichern oder bei den Bläsern. Beim Bayrischen Rundfunk-Sinfonie-Orchester sei das extrem, moniert Adler: In den vorderen Reihen säßen fast nur Männer, auch bei den Solobläsern. „Ich würde begrüßen, wenn das völlig gleichberechtigt wäre. Und nicht so, dass die Frauen hinten sitzen, so dekorativ.“

Als mögliche Erklärung für diese Entwicklung werden übliche Klischees von größerer Sorgfalt, Disziplin und Anpassung genannt. Der Violinist Peter Rainer von der Kammerakademie Potsdam hat noch ein anderes Argument: Auch in seiner Begabtenklasse an der UdK seien immer mehr Studentinnen als Studenten. Über die Gründe ließe sich allerdings nur spekulieren, sagt er. „Mir scheint, die Ablenkung, gerade auch durch Technik und Medien, ist bei Jungs sehr groß.“

In der Kammerakademie Potsdam spielen heute mehrheitlich Frauen – allein bei den Streichern liegt das Verhältnis bei 23 zu acht. „Die Frauen sind einfach ziemlich gut“, begründet Rainer die Verteilung. Die Position des Konzertmeisters hat auch hier ein Mann inne – Rainer nämlich. Auch er wünscht sich letztlich eine ausgewogenere Durchmischung. Schließlich lebe eine Orchestergemeinschaft von einer gewissen Spannung, sagt er. Nur der Musik ist das wohl letztlich egal. giw

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })