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Von Richard Rabensaat: Frei von Bühnenzwängen

Die Villa Kellermann zeigt Bilder des renommierten Bühnenbildners Achim Freyer

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Der Künstler bedauert per Fax, dass er an der Eröffnung nicht teilnehmen könne. Er sei in Los Angeles bei der Vorbereitung von Wagners „Ring der Nibelungen“ unabkömmlich. In der Villa Kellermann hängen derzeit Bilder von Achim Freyer. Die Bilder tragen keine Titel. Stattdessen sind sie durch Zahlen kenntlich gemacht. Der ausliegende Katalog deutet an, dass es sich um Kalenderdaten handele, an der Zahlenfolge ist das nicht immer abzulesen.

Selbsterklärend sind die Bilder aber auch nicht unbedingt. 25.10.08 heißt ein Bild von dem leuchtendes Rot entgegen strahlt. Schwarze Linien deuten viereckige Formen an, die schräg auf dem farbigen Grund stehen. Anklänge an „Hard Edge“, an abstrakten Expressionismus? Die Vermutung liegt nahe, aber der Katalog weist sie zurück. Der Künstler wolle frei sein, in seiner Malerei nicht den Vorgaben unterworfen, die ihn als Bühnenbildner einzwängen würden. Da hätte man gerne mehr gewusst, aber einen Ausstellungstext gibt es nicht, und von dem Katalog auch nur ein einziges Exemplar. Das kann nicht ausgeliehen, sondern nur vor Ort studiert werden. Kopien des Katalogtextes gibt es selbstverständlich auch auf Anfrage nicht.

Die Präsentation ist ebenfalls eine glatte Katastrophe, die jeden Deutungsversuch zunichte macht. Die schlechte Beleuchtung wird erst auf ausdrückliche Anfrage angeschaltet und tut dann ihr Möglichstes, die Bilder im Halbdunkel zu verstecken. Aufgestapelte Stühle recken nach der Vernissage ihre Chrombeine in die Sichtachse der gemalten Flächen. Das hat der Künstler nicht verdient und seine Malerei auch nicht.

Achim Freyer ist ein bekannter und verdienter Mann. Mit stattlichen 74 Jahren ist er nach seiner Emeritierung an der Hochschule der Künste Berlin mit großen Theaterexperimenten wie der Inszenierung von Bachs „H-Moll Messe“ an der Los Angeles Opera recht erfolgreich. Begonnen hatte Freyer als Meisterschüler für Bühnenbild 1954 bei Berthold Brecht, war dann frei schaffender Maler, schließlich Professor. In zahlreichen Bühnenprojekten hat er eine ganz eigene, zauberhafte Bühnensprache entwickelt. Bei der schweben surreale Puppenwesen durch verwirrende Perspektiven. Deformierte Körper verwickeln sich in rätselhafte Choreografien oder Becketts einsame Gestalten erfahren in spartanisch bestückten Räumen eine neue Deutung.

Der Raum und seine Deutung spielt auch in den Bildern Freyers eine bestimmende Rolle. Häufig sind die Bilder durch Linien gegliedert. Die Linien und Gitter zerfransen an den Rändern, steigern noch die Unruhe der Farbfläche. Abstrakte Formen bewegen sich vor großzügigen Flächen. Breite Quader- und Kreisformen schweben vor monochromen Untergründen. Punkte scheinen über Bildränder zu hüpfen. Es klingen Themen wie Einsamkeit, Melancholie, Sehnsucht und Archaisches an, die auch den Bühnenbildner Freyer interessieren. Gelegentlich tauchen in der Malerei Freyers Formelemente auf, die an seine Inszenierungen erinnern, beispielsweise an die Stühle aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“ an der Staatsoper.

Das Eigenleben der Bildelemente, Farbe, Form, Linie scheint sich in keinen voluntaristischen Zwinger einsperren zu lassen. In der nervösen Handschrift der Bilder deutet sich ein künstlerischer Geist an, der nicht auf eine betuliche Harmonie aus ist, sondern suchend experimentiert. Freyer variiert wenige Stilemente um zu eindringlicheren Formulierungen zu finden oder den adäquaten Ausdruck für eine momentane Stimmung exakter zu fassen. Vielleicht sind es „Tagebuchbilder“, Bilder, in denen der Künstler nicht nach einer Lösung suchen muss, die ihm letztlich durch das Theater- oder Musikstück vorgegeben ist. Sollte dem so sein, dann spiegeln die Leinwände ein Leben, das offen und experimentierfreudig weder vor der schwungvollen Geste, noch vor einem kontrastreichen Vielklang zurückschreckt. Die künstlerische Kreativität behauptet sich ungezwungen und frei angesichts eines Zeitgeistes, der gegenwärtig in die Depression abzugleiten scheint.

Villa Kellermann, Mangerstraße 34-36, Tel. 0331/ 291572; Fr ab 16 Uhr, Wochenende ab 12 Uhr.

Richard Rabensaat

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