
© M. Thomas
Ausstellung im Kunsthaus Potsdam: Freie Anti-Radikale
Das Kunsthaus Potsdam zeigt Arbeiten von Harald Gnade und Herbert Mehler, die vor allem dekorativ sind. Malerei und Skulpturen, die im Fluss sind und doch auf ewig miteinander verknüpft.
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Potsdam - Manchmal machen sie nur noch müde, diese Variationen über die Postmoderne. Diese Abbilder des Flüchtigen, sich ständig Wandelnden. Natürlich sind die im Grunde akkurate Beschreibungen des Seins, aber wenn alles im Fluss und morgen ohnehin schon wieder anders als heute ist, wo sind dann die Momente der Erschütterung? Des Glücks? Im Schwedischen gibt es das Wort „lagom“, das sich nur schwer übersetzen lässt, aber in etwa so viel heißt wie: genau richtig. Nicht zu laut, nicht zu leise, nicht zu heiß, nicht zu kalt. Die Frage wäre jetzt: Ist das ein Idealzustand – oder die Hölle?
Nun, die Hölle sind die Arbeiten von Harald Gnade und Herbert Mehler, die derzeit im Kunsthaus zu sehen sind, ganz sicher nicht. Ein Idealzustand der Kunst aber wohl auch nicht. Harald Gnade, geboren 1958, Mitglied im Deutschen Künstlerbund und von 2012 bis 2014 Lehrbeauftragter der Berliner Akademie der Künste, malt frei schwebende Formationen. Mal grün, mal rot haben sie die Struktur von Algen, die schlaff durchs Meer treiben, bar jeder Selbstbestimmung. Das Meer ist bei Gnade manchmal auch ein wolkiger Himmel, licht und blau, auch hier kein Fix- oder Fluchtpunkt, der das Auge steuert.
Darf der Mensch kopieren?
Vielleicht, das deuten die endlosen Ketten chemischer Formeln an, die Gnade in feiner Silberschrift über „Copynature“ geschrieben hat, ist die Welt so bis ins Kleinste analysierbar geworden und dadurch zu komplex, als dass es noch so etwas wie eine Richtung geben kann. Eine große Wahrheit, die sich einfach behaupten ließe. Gibt es nicht, muss man aushalten. So steht man vor diesem Bild wie vor einem Aquarium, ergibt sich dem Versinken wie in einer Meditation und entleert seinen Kopf eher, als ihn zu füllen. Obwohl man den Titel „Copynature“ natürlich auch als Warnung lesen könnte: Darf der Mensch die Natur kopieren? Eine echte Beunruhigung aber stellt sich nicht ein, dazu sind Gnades Bilder – das Motiv der frei schwebenden Anti-Radikalen findet sich auf allen – zu heiter, zu ungebrochen.
Das ist die Parallele zu den Skulpturen von Herbert Mehler. Geboren 1949, lernte er das Holzbildhauer-Handwerk bei seinem Vater, bevor er an der Kunstakademie in Nürnberg studierte. Anders als Gnades Bilder sind seine Figuren von Symmetrie geprägt. Auf den ersten Blick erinnern sie an Fundstücke aus der Natur, Schalenfrüchte, Bucheckern, Pollenstempel. Das aber relativiert sich sofort wieder – eben weil sie nach allen Richtunge gleichförmig sind. Kopierte und damit entfremdete Natur also. Insofern passen sie sehr gut zu Gnades Malerei, beide Künstler spielen mit der Täuschung von Natur, den vermeintlichen Möglichkeiten, sie zu kopieren. Und wie bei Gnade stellt sich auch bei Mehler dieses leicht taube Wohlbefinden ein, denn trotz ihrer Kanten und Rillen erinnern seine Skulpturen an das, was man gemeinhin Handschmeichler nennt: organisch geformte Gegenstände, die man gerne anfasst, um sich beruhigen. Seine Serie kleinerer Skulpturen im Obergeschoss des Kunsthaus macht das noch einmal besser deutlich: In ihrer Dichte ähneln sie einem Sammelsurium alter Kinderschätze – Rosskastanien, Muscheln, Federn –, einst Natürliches, das durch jahrelanges Aufbewahren eine eingestaubte, eigene Künstlichkeit entwickelt hat. Auch sie erlauben aber weder etwas Neues zu beginnen noch etwas Altes loszulassen, alles ist im Fluss und doch auf ewig miteinander verknüpft. Angenehm radikal ist da die dicke Schicht aus Silber, die Gnade über ein einziges seiner Algengebilde gelegt hat. Da dringt nichts mehr, auf diese spiegelnde Fläche lässt sich aber allerhand projizieren.
Die Ausstellung mit Arbeiten von Harald Gnade und Herbert Mehler ist noch bis 22. März im Kunsthaus, Ulanenweg 9, zu sehen, mittwochs bis freitags von 11 bis 18 Uhr, am Wochenende von 12 – 17 Uhr
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