zum Hauptinhalt

Kultur: Friedrich der Große?

Neue Literatur zum Jubiläum: Jürgen Luh über den Preußenkönig

Stand:

Dreihundert Jahre Friedrich und kein Ende abzusehen. Man sollte meinen, irgendwann seien alle Quellen gesichtet, alle Bücher geschrieben. Mitnichten. Hatte der Preußenkönig seinerzeit geahnt, dass er Generationen von Wissenschaftlern und Autoren beschäftigen würde? Ein neues Buch im Regal der Sekundärliteratur, die zum kommenden Jubiläumsjahr mit reichlich Neuerscheinungen ergänzt wird, nähert sich dem Mythos Friedrich der Große unter einem modernen Blickwinkel, der zumindest nahelegt, dass der Monarch sich durchaus seiner Wirkung, vor allem Außenwirkung, bewusst war und sich selbst bewusst vermarktete.

Der Historiker Jürgen Luh, bei der Schlösserstiftung für Forschung und Wissenschaft zuständig, hat in diesem Sinne keine Biografie geschrieben, sondern den Charakter des preußischen Starrkopfes anhand von vier Persönlichkeitsmerkmalen untersucht und dargelegt. Das Buch ist konsequent in vier Kapitel gegliedert, die sich der „Ruhmsucht, Hartnäckigkeit, Eigensinn und Einsicht“ des Königs nähern. Wie nicht anders zu erwarten, ist der „Ruhmsucht“ der größte Teil gewidmet, während die „Einsicht“ eine weitaus geringere Seitenzahl benötigt. Das passt zum Titel, den Luh seinem Werk, erschienen im Siedler-Verlag (19,99 Euro, 288 Seiten), gegeben hat: „Der Große. Friedrich II. von Preußen“. Die Buchvorstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte war gut besucht, Luh sah sich Donnerstagabend einem interessierten und durchhaus kritischen Publikum gegenüber, das ergänzende Erklärungen in der anschließenden Diskussion einforderte. Nicht ganz schlüssig erschien den Zuhörern zum Beispiel die Erklärung, die Größe des Friedrich liege vor allem darin begründet, dass er groß sein wollte und dieses Ziel hartnäckig verfolgte. Das charakterisiere schließlich auch Hitler und Osama bin Laden, kam ein Einwurf aus den Zuschauerreihen. Sie vermisse, so die Dame, den Humanisten im Buch. Erfolg und Größe, entgegnete der Autor, habe man im 18. Jahrhundert auf dem Schlachtfeld erworben. Er führte Krieg, wenn es sich anbot und Erfolg versprach. Man könne diesen Friedrich nicht in die Gegenwart holen, sondern müsse ihn unter den Vorzeichen seiner Zeit betrachten, gab Luh zu bedenken. Trotz Eigensinn, Eitelkeit, Egoismus, trotz Konservativismus und Kritikresistenz habe er wie seine historischen Vorbilder, Alexander der Große, Caesar, Ludwig IV., zielstrebig seine Pläne verfolgt und – ohne PR-Agentur! – an seinem Image gearbeitet. Dazu gehörten nicht nur die öffentlichen Auftritte in abgewetzter Soldatenuniform. Auch der Briefwechsel mit Voltaire könne als ein Unterfangen, um seinen Bekanntheitsgrad über die Landesgrenzen hinaus zu vergrößern, interpretiert werden; beide, der Franzose und der Preuße, profitierten davon.

„Ein Vorbild für manche Politiker von heute, was die Beharrlichkeit betrifft“, schlug der Historiker vor. Das Bild des gemütlichen, volksnahen Monarchen sei eher ein Klischee, Friedrich wäre das Bürgertum reichlich egal gewesen. „Hauptsache, der Staat funktionierte – mit ihm als König.“ Manch Freund, auch Ehefrau und Schwester, blieben da freilich auf der Strecke. Nichtsdestotrotz sei sein einnehmendes Wesen von Vorteil gewesen, Zuhörer seiner Tafelrunden beklagten zwar die oft langen Monologe, die sich wiederholenden Themen, des Königs mangelndes Interesse an Wissenschaft und Fortschritt. Dennoch konnten sie sich dem leisen, sanften Tonfall, „geschwätzig, wenn auch erhaben“, nicht entziehen. Vielleicht sollte man sich im Buchtitel ein Fragezeichen denken, schlug ein Zuhörer versöhnlich vor. Der Große?

Jürgen Luh konnte diesem Gedanken durchaus Sympathie entgegenbringen und zitierte sein Schlusswort im Buch, bei einem anderen großen Friedrich entliehen: „Rauch ist alles ird’sche Wesen, wie des Dampfes Säule weht, schwinden alle Erdensgrößen, nur die Götter bleiben stet.“ So Schiller einst im „Siegesfest“ über die Hinfälligkeit militärischen Erfolgs. So steht bei Jürgen Luh das Fragezeichen denn am Ende.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })