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Von Klaus Büstrin: Fröhliches Ensemble

Potsdamer Winteroper mit Rossinis „La Cenerentola“ im Schlosstheater

Stand:

Gioacchino Rossinis Oper „La Cenerentola“ ist ein musikalischer Karneval par excellence. Daran ist nichts zu deuteln. Der schier unendliche Melodienreichtum, die eingängige Rhythmik, der köstliche Humor und Witz sowie die Feinsinnigkeit der Partitur begeistern immer wieder die Ohren. Dazu sollte es an kulinarischer Optik in der Inszenierung, beim Bühnenbild sowie bei den Kostümen nicht fehlen. Auf der Bühne des Schlosstheaters im Neuen Palais haben die Kammerakademie und das Hans Otto Theater innerhalb der sechsten Auflage der „Potsdamer Winteroper“ den Sing- und Hörspaß „La Cenerentola“ am Freitag zur Aufführung gebracht.

Rossini verführt, dass man auf der Bühne und im Orchestergraben seinem Affen Zucker gibt. Doch der teilweise Übermut von Mitwirkenden übersieht oft, dass ein Zurücknehmen in Sachen musikalischem Geschehen dem Ganzen mehr Transparenz gibt. Am Premierenabend von „La Cenerentola“ betraf es insbesondere die Kammerakademie Potsdam.

Zunächst war es erstaunlich, dass fast jeder Hinweis auf eine historisch nahe Musizierweise, mit der das Orchester sonst überzeugen will, in dieser Produktion fehlte. Angefeuert von dem dänischen Dirigenten Claus Efland entwickelten die Instrumentalisten ein fast überbordendes Temperament und Freude am Spiel. Der federnde Rossini-Klang kommt aber nicht durch knalliges und hektisches Musizieren zustande. Denn „La Cenerentola“ hält auch feine Nuancen in der Orchesterpartitur parat.

Erst am Schluss, als Aschenputtel Angelina in ihrem Rondo „Nacqui all’affano“ als Siegerin über ihre Widersacher aus der Geschichte hervorgeht, als das gesungene Mitleid zur Ironie, ja zum Sarkasmus wird, nahm auch Dirigent Claus Efland einen differenzierteren Ton auf. Die niederländische Mezzosopranistin Olivia Vermeulen konnte dann so richtig mit ihrer Stimme, die wie pures Gold aus ihrer Kehle strömt, glänzen. Sinnlich, verführerisch und wunderbar frisch wusste sie die Partie zu singen. Den tückischen Rossini-Koloraturen wird sie aber eines Tages mit noch mehr Raffinesse begegnen.

„La Cenerentola“ ist vor allem eine Oper des mitreißenden Ensemblegesangs mit relativ wenigen Arien (einige wurden für die Aufführung sogar gestrichen). Der zupackend singende Italiener Giulio Mastrototaro als Diener des Prinzen Don Ramiro hat den Rossini-Sound im Blut. Das schnelle Parlando bereitet dem Sänger, der mit einem kostbaren Bariton ausgestattet ist, keinerlei Probleme, auch der agile Bassbariton Horst Lamnek als Angelinas Stiefvater Don Magnifico kann da bestens mithalten. Seine zickigen Töchter Clorinda und Tisbe singen Evmorfia Metaxaki und Inga Jäger zu jeder Zeit geschmeidig und prägnant, nicht anders der Bassist Taras Konoshchenko als Philosoph Alidoro. Als schwierig erweist sich immer wieder, einen Tenor zu finden, der den enormen Rossini-Anforderungen in puncto Koloraturen und Höhensicherheit gerecht wird. Der sympathische Däne Leif Aruhn-Solén verfügt für den Prinzen Don Ramiro eine zu kleine Stimme, die zwar beweglich ist, aber den musikalischen Attacken, die die Partie neben den Lyrismen auch zu bieten hat, nicht begegnen kann. Die Höhe wollte einfach nicht recht aufblühen. Zu dem insgesamt gesanglichen Genuss gesellten sich zu guter Letzt die Herren des Neuen Kammerchores Potsdam (Einstudierung: Ud Joffe).

Das Sängerensemble war nicht nur musikalisch fröhlich im Einsatz, sondern auch darstellerisch. Nico Rabenald, der in den vergangenen Jahren vor allem am Magdeburger Theater seine inszenatorischen Lorbeeren verdiente, führte erstmals in Potsdam Regie. Man spürte in jedem Augenblick, dass er Spaß an der turbulenten Komödie hat. Dabei ging es auch recht klamaukhaft zu. Eine Torte, die dem Kontrahenten das Gesicht versüßt, durfte neben manch anderen allzu bekannten Klischees nicht fehlen. Doch wenn die Posse, der Übermut überhand nehmen wollten, dann fand Rabenald schnell ein paar leise, nachdenkliche Szenen.

Das hübsche, anrührende Märchen vom armen Aschenputtel wird im Schlosstheater nicht erzählt, sondern die Geschichte von den großen Lebensträumen einer durch ihre Schwestern und ihren Vater gedemütigten jungen Frau. Der Regisseur führt den Zuschauer in ein wusliges Filmatelier der zwanziger Jahre (das flexible Bühnenbild schuf Nora Johanna Gromer und die kostbaren Kostüme der Damen Heike Scheele)). Das bescheidene, zurückhaltende Mädchen Angelina möchte zum Film, leben in Glanz und Glamour wie Clorinda und Tisbe, ihre Stiefschwestern. Überraschend wird sie für den Film „Aschenputtel“ verpflichtet, begleitet vom ständigen Neid und Missgunst der Stiefschwestern und des Stiefvaters Don Magnifico. Sie planen einen materiellen und glanzvollen Aufstieg. Was ist hier „Märchen“, was ist Rahmenhandlung? Traum und Wirklichkeit vermischen sich in der Inszenierung, manchmal ist‘s auch konfus.

Dann erscheinen Prinz Don Ramiro und sein Kammerdiener Dandini, die die Rollen getauscht haben, damit der Prinz als Bühnenarbeiter unbeobachtet die möglichen Heiratskandidatinnen ins Visier nehmen kann. Natürlich ist Angelina, die ebenfalls ein Auge auf den Prinzen geworfen hat, die Auserwählte. Stiefvater, Clorinda und Tisbe schäumen vor Wut, werden alles dransetzen, um das Aschenputtel zu Fall zu bringen. Doch deren Aufstieg ist begrenzt. Nico Rabenald sorgte für eine Überraschung: Gewinnerin Angelina, die zwar von Güte und Verzeihen singt, stolziert am Ende auf dem roten Teppich als ein arroganter und kaltherziger Filmstar. Ramiro versteht die Welt nicht mehr: Das soll meine sanftmütige Braut sein? So kann man also auch „La Cenerentola“ inszenieren. Und recht respektabel. Der Publikumsjubel war groß. Und wenn Rossinis Musik eleganter erklingt, könnte dies ein rundum gelungener Opernabend werden.

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