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Kultur: Für Wunder ist die Partei verantwortlich

Ursula Werner und Roland Oehme im Filmmuseum

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Ursula Werner und Roland Oehme im Filmmuseum Von Dirk Becker Für Überraschungen sorgt „Ein irrer Duft von frischem Heu“ auch noch 27 Jahre nach seiner Premiere. Zumindest einem jungen Publikum, dem die DDR nur vage oder gar keine Erinnerung ist, kann mit diesem leicht überdrehten Film gezeigt werden, dass es doch ging, Kritik am Staatssozialismus, der Partei und anderen, offiziell nie existenten Problemen im arbeiter- und bauernwohlgefälligen Prachtland zwischen Elbe und Oder zu üben. Und auch ältere Zeitgenossen klopfen ihre Schenkel, wenn der eigenwillige Parteisekretär Mathes Matthias der übereifrigen Genossin Angelika Ohneglaube auf einem Heuwagen, auf die im Gespann zerrenden Rindviecher weisend, erklärt: „Das sind die letzten Zugochsen der Republik“. Kritik im Flatterhemd des Humors – dem Regisseur Roland Oehme ist dies in seinen Filmen gelungen, von denen neben „Ein irrer Duft von frischem Heu“ am Montag im Filmmuseum auch „Der Mann der nach der Oma kam“ gezeigt wurde. Der Förderkreis Film Berlin-Brandenburg e.V. hatte zur Veranstaltung „... und am enDE Famose filme“: In memoriam DEFA geladen. Keine verklärende Nostalgierunde, sondern gelassener Rückblick auf das Lustspiel in der Filmproduktion der DDR. „Ein irrer Duft von frischem Heu“ erzählt die Geschichte von Mathes Matthias, der in dem Dreihandvollseelendorf Trutzlaff im verschlafenen Mecklenburg auf unorthodoxe Art und Weise seinen Parteiauftrag erfüllt. Ein Parteisekretär mit dem so genannten zweiten Gesicht, der wahre Wunderdinge vollbringt. Doch Wunder sind im dialektischen Materialismus nicht vorgesehen, es sei denn, sie kommen von denen ganz oben. Und so rufen die Gerüchte die Parteibezirksleitung in Form von Angelika Ohneglaube (Ursula Werner) auf den Plan. Es entspinnt sich eine wunderbare Komödie, in deren Verlauf ein krummer Rücken plötzlich gerade wird, ein protestantischer Pfarrer mit Parteiverfahren droht, Besäufnisse mit dem Wein Marke Bärenblut stattfinden, weil es im Konsum gerade nichts anders gibt und selbst ein Vertreter des Vatikans in Trutzlaff auftaucht, der den Wunderdingen des Mathes auf den Grund gehen will. Der Film strotzt nur so vor Anspielungen und Verschaukelungen, dass im anschließenden kurzen Gespräch mit Roland Oehme und Ursula Werner die Frage nach der Zensur oder anderen Gängeleien nicht ausbleiben konnte. Doch wider Erwarten hatte Oehme damals überhaupt keine Probleme. Der Film entstand nach einem sehr erfolgreichen Stück von Rudi Strahl, einem der meistgespielten Theaterautoren der DDR. So waren große Änderungen kaum möglich. Der Film wurde zwar als frech empfunden und von der Kritik beargwöhnt, doch die Zuschauerzahlen sprachen für ihn. Ursula Werner, die sich noch lebhaft an die Dreharbeiten erinnert, vor allem an den sich windenden Roland Oehme, als er ihr stotternd beizubringen versuchte, dass sie eine Nacktszene drehen müssen, fragte das nicht gerade zahlreiche Publikum, ob der Film mit seinen Anspielungen auch heute noch zu verstehen sei. Eine fast schon überflüssige Frage, denn am meisten wurde an diesem Abend gerade bei diesen mehr oder weniger subtilen Pointen gelacht. Guter Humor, der kann manchmal sehr lange nachwirken.

Dirk Becker

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