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Kultur: Galante Dame mit verlängertem Rock

Preußische Schlösserstiftung nahm mit Getty-Hilfe Gemälde von Watteau, Lancret und Pater unter die Lupe

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Das von dem Chemiker Heinrich Diesbach entdeckte so genannte Berliner Blau war in Paris schon früher bekannt als bisher angenommen. Das Farbpigment wurde in einem in den Jahren 1711/12 von Antoine Watteau (1684-1721) gemalten Bild nachgewiesen. „Dieser Nachweis ist für die Datierung von Gemälden und das Erkennen von Fälschungen wichtig“, erklärt Christoph Martin Vogtherr. Der Kustos der Sammlung französischer und italienischer Gemälde in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat seit 2003 mit einer Projektgruppe die Werke von Watteau, Nicolas Lancret (1690-1745) und Jean-Baptiste Pater (1695-1736) untersucht, zu deren Hauptthemen die im Barock und im Rokoko beliebten „galanten Feste“ im Freien gehörten. 2008 wird ein Bestandskatalog veröffentlicht.

Dass dieses Vorhaben auf den Weg gebracht werden konnte, ist der in Los Angeles ansässigen Getty Foundation zu verdanken. Die Stiftung des 1976 verstorbenen Milliardärs Jean Paul Getty unterstützte die Forschungen des siebenköpfigen Teams, die naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Kunstwerke und kürzlich das abschließende Kolloquium mit 150 000 Euro. Das Projekt wurde der Berlin-Potsdamer Schlösserstiftung übertragen, weil sie neben dem Louvre in Paris und der Wallace Collection in London mit 80 Gemälden die größte Sammlung an Werken der drei französischen Maler besitzt. Zudem ist sie die früheste und befindet sich als einzige noch an ihrem ursprünglichen Ort, den preußischen Schlössern und Gärten. Zur Entscheidung wird beigetragen haben, dass die Getty Foundation seit 1999 mit den Kunsthistorikern und Restauratoren der Stiftung gute Erfahrungen gemacht hat. Sie förderte bereits die komplizierte Restaurierung eines Email-Kronleuchters und der berühmten Pompadour-Uhr, die im Neuen Palais jetzt wieder in Sonderführungen zugänglich gemacht wird. Mit den Ergebnissen waren die Amerikaner höchst zufrieden. Eine solche Bewertung erhofft Christoph Martin Vogtherr auch für das von ihm geleitete und im Dezember abgeschlossene Projekt. Dies könnte die Tür zur Förderung weiterer Vorhaben öffnen.

Der Kustos und seine sechs Mitstreiter – fünf von der Stiftung, dazu die New-Yorker Lancret-Expertin Mary Tavener-Holmes – wissen jetzt (fast) alles über Maltechnik, den Aufbau der Farbschichten, Bindemittel, die Rahmen, die Herkunft der vornehmlich von König Friedrich II., in einigen Fällen auch von seinem Bruder Prinz Heinrich gesammelten Bilder, ihr weiteres Schicksal und ihre Präsentation in den Schlössern. Auch die Verluste durch Krieg und Verkauf wurden erfasst und vier heute in der Berliner Gemäldegalerie hängende Werke einbezogen.

Bei den naturwissenschaftlichen Untersuchungen wurde das Team u.a. durch das Hahn-Meitner-Institut unterstützt, dass mit Hilfe der Neutronenstrahlung die tieferen Farbschichten „durchleuchtete“. Besonders dankbar ist Vogtherr zahlreichen europäischen Museen, die bereitwillig ihre Bestände und Werkstätten öffneten. So räumte ihm das Pariser Louvre die Möglichkeit ein, mit Hilfe einer darüber gelegten Folie die dortige Fassung von Watteaus berühmter „Einschiffung nach Cythera“ mit der im Charlottenburger Schloss zu vergleichen. „Ein großer Vertrauensbeweis“, erklärt der Kustos, „der uns weiteren Aufschluss über die Maltechnik des Franzosen gab“. Watteau kopierte die Figuren millimetergenau, aber bei ihrer Einordnung in die Bildkomposition wich er vom Original ab. Dies deute darauf hin, dass er die Figuren freihändig einfügte. Durch die Untersuchungen bestätigte sich auch die Annahme der Kunsthistoriker, dass nicht alle Jean Baptiste Pater zugeschriebenen Werke von dem früh verstorbenen Maler stammen.

Im Depot wurde ein nach ihm gemalter „Tanz im Freien“ entdeckt, der früher in Sanssouci hing und nun dort wieder eingeordnet werden konnte. Von Pater, mit dem sich das Projekt „erstmals ernsthaft beschäftigte“ (Vogtherr), stammt ein „Fest im Freien“, das als verschollen galt, in den 80er Jahren aber auf einer Auktion in Venedig wieder auftauchte.

All diese Forschungsergebnisse werden 2008 im Bestandskatalog berücksichtigt. Dazu gehört die eine oder andere Kuriosität. So trägt eine auf einer Schaukel sitzende Frau, die in Paters „Fest im Freien“ freizüg ihre hübschen Beine zeigte, auf dem in Sanssouci hängenden Gemälde nunmehr einen längeren Rock. Für diese Übermalung hatte König Friedrich Wilhelm IV. gesorgt.

Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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