Kultur: Gas geben
Ein Schriftsteller erfindet sich eine weibliche Heldin, erkundet deren Innenwelten, taucht ein in Psyche und Körper des fremden Geschlechts. Mann schreibt Frau.
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Ein Schriftsteller erfindet sich eine weibliche Heldin, erkundet deren Innenwelten, taucht ein in Psyche und Körper des fremden Geschlechts. Mann schreibt Frau. Einer, der das grandios gemacht hat , war Don DeLillo in „Körperzeit“, den Erinnerungen einer Performancekünstlerin an ihren verstorbenen Mann. Von Einsamkeit und leeren Wohnungen erzählt auch Michael Stavaric in seinem zweiten Roman, mithilfe einer ziemlich enigmatischen Heldin namens Elisa Frankenstein.
Elisa ist Maklerin. Sie geht von einer leeren Wohnung in die nächste, zieht selber gerne um, lebt alleine, hat ein kompliziertes Verhältnis zu Männern, Freunden, Arbeitskollegen, Eltern. Meistens denkt sie so: „Atmen, atmen, leben, Gas geben, ankommen, einschlafen, frühstücken, einkaufen, arbeiten, reden, darüber reden, wie es war, zu Hause.“ Es gibt kein Zuhause. Stattdessen Routine, Erstarrung, viel Fremdheit, Selbstreflexion. Postmoderne Zeiten. Okay, denkt man: Na und? Doch dann kommen die Dinge ins Rollen. Elisa wird mit mysteriösen Brandstiftungen konfrontiert. Sie erinnert sich an ungelöste Mordfälle aus der Kindheit, verdächtigt ihre Mutter, verliebt sich in den Ermittler Georg ...
In „stillborn“ muss man sich hineinlesen. Auch wegen der ungewöhnlichen, atemlosen Sprache des 33-jährigen in Brünn geborenen, in Wien lebenden Autors und Übersetzers. Der Romancier Michael Stavaric ist eine spannende Neuentdeckung. „stillborn“ ist, ja was eigentlich? Kriminalroman, Liebesgeschichte – in jedem Fall ein starkes Frauenporträt.M. Ehrenberg
Michael Stavaric: stillborn. Roman. Residenz Verlag, Salzburg. 15,90 €.
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