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Spontane Inspiration. Musik sollte die Malerei befeuern.

© Manfred Thomas

Kultur: Gebremste Improvisation

Eine Korrespondenz zwischen Malen und Musizieren sollte während einer Performance in der Musikschule Am Stern entstehen

Stand:

Das muss erst mal einer nachmachen: Fünf Bilder in weniger als zwei Stunden, die nach etwas aussehen und auch noch zueinander passen sollen! Wer dies für unmöglich oder gar für Pfusch an der Kunst hält, kann sich ab sofort im Babelsberger Ableger der Städtischen Musikschule Am Stern eines Besseren belehren lassen. Zwar gab es dort im Mai schon einmal ein genreübergreifendes Schülerprojekt mit dem Titel „Wir und die Musik“, diesmal aber hatte man „erwachsene“ Künstler zu einer Improvisation in den Kammermusiksaal ganz oben geladen.

Unter dem mehrdeutigen Titel „Farb-Töne“ sollten die Malerin Ira von Kunhardt, der Pianist Nicolas Schulze (beide Potsdam) und der Berliner Saxophonist Arnold Zamarin zusammen an einem Bildwerk schaffen, jeder auf seine Art. Improvisierte Klänge sollten das Malen erregen, das Malen die Musiker zu neuen, spontanen Ideen inspirieren. Wie das geht, wenn es geht, lässt sich zum Glück nicht erklären, warum auch? Geist sucht immer nach Geist, und wird nicht jeder an seinen Werken gemessen? Das Produkt solcherart Bemühungen ist jedenfalls da, und zwar in Gestalt eines Pentychon, einer fünfteiligen Bildserie der leicht abstrakten Art. Zeugen gibt es genug, hier werden sie einfach mal Besucher genannt.

Nun sind derartige Improvisationen weder an sich noch für die drei Künstler neu, im Gegenteil, man bietet sie als Veranstaltung an. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Vorteil dann, wenn man weiß, wie das funktioniert, Nachteil, so man sich unter Vernachlässigung eigener Intentionen zu sehr auf die andere Seite einlässt. Dies war hier seitens der Musiker der Fall. Es gab Absprachen, was die Tempi betrifft, langsame Passagen, ziemliche Pausen im zweigeteilten Abendprogramm, nur, um das Bildwerk reifen zu lassen. Vielleicht war das nötig, denn Ira von Kunhardt malte ja nicht mit dem Pinsel, sie tupfte Acryl mit den Fingerspitzen auf ihre Leinwand, was recht possierlich aussehen konnte: mal auf Bild eins, mal auf die Drei, oder dazwischen.

Nach der Pause wurde das Opus mit den Nummern Vier und Fünf fortgesetzt. Ganz zu Anfang sah man nicht viel mehr als huschende Finger, denn sie tupfte und rieb kleine Farbnester, oftmals weit voneinander entfernt, bis sich ein Rhythmus aus Farbe und Leerfeld ergab, aus sichtbaren und unsichtbaren Strukturen, im Bildaufbau der chinesischen Malerei ähnlich. Natürlich verwandelte sich dabei die oder jene Note in ein Tüpfelchen Rot oder Braun, das war ja erwünscht. Die musikalische Improvisation aber war leider nicht frei, sie richtete sich nach dem Tempo der Bildproduktion. Im ersten Teil dominierte das Piano, dem das Saxophon in vornehmster Zurückhaltung mal rauh jazzige, mal sehr konventionelle Läufe entgegensetzte. Etwas Gemeinsames kam dabei kaum zustande, alles gebremst, temperiert, kontrolliert.

Bei Bild vier und fünf war von einer improvisierten Korrespondenz zwischen Malen und Musizieren kaum noch etwas zu spüren. Nicolas Schulze strich und zupfte im Pianokasten herum, das Saxophon begnügte sich mit beliebigen Einzeltönen und Geräuschen, ein jeder blieb für sich. Da hat man, bei allem Verlaub, schon weitaus bessere Improvisationen gehört. Doch was soll’s, den Bildern tat es keinen Schaden, sie wuchsen trotzdem zum Titel „Farb-Töne“ heran, so oder gebremst. Wer also fortan im Kammermusiksaal der Musikschule vorzuspielen oder zuzuhören hat, muss dieses fünfteiligen Opus’ einfach ansichtig werden. Sponsoren ermöglichten den kreativen Abend, die Künstler ihrerseits schenkten die Bilder ihrem freundlichen Gastgeber, ganz oben, unter dem Dach. So hat jeder etwas gegeben, und jeder hat etwas bekommen. Gerold Paul

Gerold Paul

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