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Sie will, dass Kinder wieder wissen, was Liebe ist. Die Opernsängerin Eva-Maria Bundschuh wirbt um Hilfe für das christlich-soziale Projekt „Arche“ und holt dafür junge Stars auf die Bühne.

© privat

Kultur: Geburtstagsfeier für alle

Opernsängerin Eva-Maria Bundschuh veranstaltet im Hans Otto Theater eine Benefizgala zugunsten des Arche-Kinderprojekts

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Es soll ein „Erntedankfest“ werden, ein Fest, das leere, bedürftige Kinderhände füllt. Wenn Eva-Maria Bundschuh am kommenden Sonntag am Hans Otto Theater ihren 70. Geburtstag feiert, möchte sie andere beschenken. Es ist der Wunsch der in Potsdam lebenden, tief gläubigen Christin, mit einer heiteren Operngala das Projekt „Die Arche“ zu unterstützen, das Deutschlands vergessenen Kindern nicht nur warmes Mittagessen, sondern auch Akzeptanz und wieder Hoffnung gibt.

Einen dreistündigen außergewöhnlichen Abend hat sie mit Unterstützung des Hans Otto Theaters über Monate vorbereitet. Sie ist sichtlich stolz, kommende Stars wie Hulkar Sabirova aus Usbekistan und Adriane Queiroz aus Brasilien – die Königin der Nacht und die Pamina der „Zauberflöte“ an der Staatsoper Berlin – zu Gast zu haben. Auch der stimmgewaltige Jérémie Brocard wird seinen Bass erklingen lassen: Künstler, die wie Eva-Maria Bundschuh der Musik dienen und die für dieses Benefizkonzert auf ihre Gagen verzichten.

Doch es wird an diesem Abend nicht nur gesungen. Auch der Astrophysiker Norbert Pailer reist extra vom Bodensee an, um mit dem Publikum das Universum zu durchschreiten.

Zufrieden blättert Eva-Maria Bundschuh in dem gerade aus der Druckerei gelieferten ansprechenden Programmheft, dem eine limitierte Jubiläums-CD beigelegt ist. Die Sängerin hat sie extra für die Gala zusammengestellt und sie wird auch nur an diesem Benefiz-Abend erhältlich sein. 13 der unzähligen Arien, die Eva-Maria Bundschuh während ihrer langjährigen Engagements an der Komischen Oper und an der Staatsoper Berlin mit Hingabe und dramatischer Energie interpretierte, wählte sie dafür aus.

Die Sopranistin wird am Sonntag nicht selbst singen. Sie hat sich 2007 von der Bühne verabschiedet. Ohne Wehmut. Sie fiel keineswegs in ein schwarzes Loch, als die Scheinwerfer ausgingen. „Alles hat seine Zeit“, sagt sie lakonisch. Eva-Maria Bundschuh bereitete sich rechtzeitig auf dieses Leben ohne Rampenlicht vor. Jetzt ist sie auf einer anderen „Bühne“ angekommen, eine, die ihr Zeit gibt, ihre Nächstenliebe in neuen Projekten zu leben. „Ich habe eine gute Zukunft vor mir“, sagt die Frau mit dem unverfälschten erfrischenden Lächeln.

Doch man muss am Sonntag nicht ganz auf ihren beseelten Gesang verzichten, der sie oft bis in die tiefsten Tiefen wandern ließ. Noch einmal kann man sie in der Wahnsinns-Szene der „Judith“ erleben – in einem Fernseh-Mitschnitt aus der Komischen Oper 1986 –, wenn sie den abgeschnittenen Kopf von Holofernes in den Händen hält. Komponist Siegfried Matthus wird selbst in diese Rolle einführen, die Eva-Maria Bundschuh einst schlaflose Nächte bereitete, wenn sie davon träumte, im Blut zu schwimmen. Sie war auch die Salomé und Elektra, Frauen, die sich ebenfalls mit Blut besudelten. „Man muss ganz tief steigen, um sich in die Beweggründe solcher menschlichen Auswüchse hineinzubegeben.“ Die wandlungsfähige Sängerin ließ sich nie etwas vorsetzen, versuchte ihre Rollen so weit wie möglich zu ergründen. Und wenn sie die Jenufa sang, musste sie aufpassen, dass ihr nicht die Tränen kamen und es ihr die Kehle zuschnürte.

„Ich will dem Herrn singen, dass er so wohl an mir tut“, ist auf dem Cover ihrer Jubiläums-CD ein Bibel-Psalm zu lesen. Man könnte glauben, dass sich in Eva-Maria Bundschuhs Traumkarriere, die sie von Bayreuth nach Tokio, von Moskau nach Buenos Aires, von Amsterdam nach Toronto führte, eine Tür nach der anderen wie von selbst öffnete und sie diese ohne Blessuren durchschritt. Aber es stecken natürlich auch harte Kämpfe dahinter, gerade in einem Betrieb, in dem Rivalitäten und Ellenbogen dazugehören, um ganz vorne zu stehen. Eva-Maria Bundschuh kämpfte indes mehr mit sich selbst, wenn sie morgens um 8 Uhr schon in den Ballettsaal ging, um zur Probe um 10 Uhr körperlich fit zu sein. Oder wenn sie auch bei Eis und Schnee all’ die Jahre zu ihrer Gesangslehrerin nach Leipzig fuhr, um die Stimme zu schulen. Besonders aber setzte es ihr zu, die Familie so oft allein lassen zu müssen. Sie kräuselt nachdenklich die Stirn, wenn sie sich an die einwöchige Gastspielreise nach Amsterdam erinnert, auf der man sie zur beliebtesten Sängerin wählte, während ihr Sohn Robert zu Hause krank im Bett lag, ohne helfende Hand der Mutter.

Auch wenn der Beruf alles von ihr verlangte, wollte sie doch nie einen anderen, „selbst wenn ich immer nur im Chor in der letzten Reihe gestanden hätte“. Sie wollte singen. Um jeden Preis. Dafür ging sie heimlich neben ihrer Ausbildung zur Textilmeisterin in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, zum Gesangsunterricht. Erst am Sterbebett des früh verstorbenen Vaters beichtete sie diese Unfolgsamkeit und bekam den Segen für ihren selbstgewählten Weg.

Wenn sich die Sängerin heute für Kinder in Not einsetzt, denkt sie wohl auch an die eigene Kindheit zurück, in der ihr nichts geschenkt wurde. „Wir wurden ausgebombt und waren arm wie die Kirchenmäuse. Vater kam schwerkrank aus dem Krieg zurück und als Älteste musste ich mich um meine drei Geschwister kümmern.“ Doch die vitale, attraktive Frau, die dem Alter offensichtlich ein Schnippchen schlägt, denkt lieber an das Gute zurück. Dass sie es geschafft hat, ohne jemanden zur Seite zu drängen, sich immer wieder auf der Bühne ausdrücken zu dürfen. „Gott ist mein Regisseur,“ sagt sie mit großem Urvertrauen.

Der führte sie 1974 ans Hans Otto Theater Potsdam, das sie als auftrumpfend-erotische Carmen eroberte, nachdem sie ganz verunsichert aus Karl-Marx-Stadt angereist war, wo man sie klein hielt, weil eine andere Sängerin höher in der Gunst stand. „Peter Brähmig war ein Regisseur von Format, gerade mit seinen helfenden Kritiken.“ Sie erinnert sich, wie vor jeder Vorstellung ein Zettel von ihm in ihrer Garderobe lag, mit Hinweisen, was sie lassen und was sie beibehalten sollte. Der Potsdamer Operndirektor unterstützte sie auch, die „Lady Macbeth“ einzustudieren: ihre „Eintrittskarte“ für die Komische Oper Berlin.

Inzwischen denkt die Sängerin nicht mehr über die nächste Rolle nach, sondern wie sie ihre Hilfe noch breiter, noch wirkungsvoller organisieren kann, um vernachlässigten Kindern Mut zu machen: „Dass sie wieder den Glauben finden, geliebt zu werden.“ Sie nimmt nachdenklich das Buch „Generation Wodka“ in die Hand, das über den Nachwuchs erzählt, der sich die Zukunft mit Alkohol vernebelt, und das sie zutiefst erschütterte. Es bestärkte sie aber auch in ihrem Engagement, die Fallengelassenen und an die Seite Gedrängten in die Mitte zu nehmen. Geschrieben hat es Bernd Siggelkow, der Gründer des christlich-sozialen „Arche“-Projekts, der ebenfalls zur Gala kommt.

Eva-Maria Bundschuh war selbst nicht das hochbegabte Mädchen, das alle mochten und dem alles zufiel. Auch sie musste sich durchboxen. Doch sie hatte ein behütetes Zuhause und Rückenwind durch die Musik. Als sie das erste Mal Richard Wagner im Radio hörte, war sie so ergriffen, dass sie unbedingt nach Bayreuth wollte und sei es als Garderobiere. Doch sie stand eines Tages ganz vorn auf der Bühne: als Gutrune in der „Götterdämmerung“.

Heute legt sie woanders ihre Samen und flechtet mit am Erntekranz, unter dem am Sonntag ausgelassen gefeiert werden soll.

Die Benefizgala zugunsten des Berlin-Potsdamer Kinderprojekts „Die Arche“ findet am Sonntag, dem 16. Oktober um 17 Uhr, im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse statt. Karten für 30, ermäßigt 25 Euro unter Tel.: (0331) 98 11 8

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