Kultur: Gedankenleer
„Memory Garden“ in der „fabrik“
Stand:
Zwei oder drei Dinge des Schriftstellers Bertolt Brecht haben bleibenden Wert, ein paar frühe Gedichte, der Satz, was denn aus den Löchern wird, „wenn der Käs gefressen ist“, und seine Lehrstücke. Bei Brechts Kurz-Dramatik handelt es sich um exemplarische Spielsituationen, die um ihrer selbst willen gestaltet werden. Keine Zuschauer, keine Aufführung, allein die Darsteller sollten lernen. Ach, hätte es der Geist von „Memory Garden“ doch auch so diskret gehalten! Seit Monaten schon sind Odile Seitz und Frédéric de Carlo im Brandenburgischen unterwegs, um Kindheitserinnerungen aufzuspüren und sie mit vorwiegend tänzerischen Mitteln darzustellen. Workshops dazu gab es in Cottbus, Paretz, Schwedt und Potsdam. Natürlich steckt da „Kulturland“ mit seinem Jahresthema „spiel und ernst – ernst und spiel. kindheit in brandenburg“ dahinter. Am Sonntagnachmittag gab es eine öffentliche Abschlusspräsentation in der „fabrik“. Nun, das wäre wirklich nicht nötig gewesen, die 50-minütige Darstellung nebst Publikumsgespräch im Spielkreis danach brachten für den Außenstehenden reineweg gar nichts. Zuerst bemühte sich Odile Seitz, die Zuschauer mittels Atemtechnik und Imagination auf die Erinnerungsschiene zu bringen. Durchatmen, den Sitz unter sich spüren, den Körper, nach innen blicken, durchatmen, atmen – geschafft!
Was man sah: Ein Kreis von neun roten Sitzkissen, drei Monitore, dann hüpften, sprangen, robbten sich neun mehr oder weniger junge Frauen an die knisternden Dinger heran, verharrten. Mit choreografischen Elementen aus der Mottenkiste wurde Erinnerung dann dargestellt als: Rudelbildung, Dreierkette, Knäuelbildung, Sechserkette, Einzelbildung, Gang immer an der Wand lang, Bein des Gegenüber festhalten, dann den Arm, lösen, hopsen, einholen, hinlegen, Knäuel-Verschiebung, Umarmen, Rollen des anderen in seiner Längsachse, kindliches Juchzen. Gar nicht leicht, dieses lustige Sausen, Springen, Hopsen, Atmen recht zu würdigen, zumal das unter „Tanz-Performance“ lief, also ein Zipfelchen Kunst für sich beanspruchte. Sollte jemand indes einen Psychotrip mit theatralischer Gruppentherapie wahrgenommen haben, wäre auch das kein Traum gewesen. Man erkennt dies am immer so eingeweiht lächelnden Personal. Was man hörte: Unscharfes Wortgefetz-Erinnern – aber auch das drang nicht durch, zu schlechte Tonqualität, zu beliebige Aussagen, die fremd ins Leere irrten. Kein Meisterstück der Leitung!
Nachdem der verlegene Beifall verklungen war, setzten sich die Damen, wie in solchen Zirkeln üblich, im Halbkreis vor das Publikum hin. Man wollte ins Gespräch kommen, obwohl es nach dieser überflüssigen Präsentation doch gar nichts zu sagen gab. Sie erzählten, wie gut ihnen diese Exerzitien bekommen seien, was ihre Erinnerung dem Körper zur Treuhandschaft übergab. Als Zuschauer spürt man, was von innen kommt, und was nicht. Hätte man auf die mitgebrachten Kinder geschaut, wie sie am Sonntag, vom Rollen und Hopsen unbeeindruckt, Wirklichkeit aufnehmen, damit spielen – man hätte sich das ganze Brimborium ersparen können!
Sicherlich hat sich das Personal viel Mühe mit der Innenschau seiner Probanden gegeben. Keine, so weit es die Darstellung nach außen betrifft. Wüst und leer blieb der Garten des Eingedenkens vom Zuschauer aus, bildleer, gedankeleer, lebensleer – Käs oder Loch? Da halfen auch die herbeigeeilten Hilfsgedanken nach der Aufführung nicht – die Bühne muss überzeugen, sonst gar nichts! Gerold Paul
Gerold Paul
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