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Kultur: Gedankentief und assoziationsreich Orgelsommer-Konzert in der Erlöserkirche

Fußball war im Fernsehen angesagt, und auch ein Komponist, der nicht unbedingt zu den Lieblingen des normalen Publikums gehört, musste unter den widrigen Gegebenheiten leiden: Olivier Messiaen. Doch der harte Kern, die Kenner und Liebhaber des französischen Erneuerers der Orgelmusik des 20.

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Fußball war im Fernsehen angesagt, und auch ein Komponist, der nicht unbedingt zu den Lieblingen des normalen Publikums gehört, musste unter den widrigen Gegebenheiten leiden: Olivier Messiaen. Doch der harte Kern, die Kenner und Liebhaber des französischen Erneuerers der Orgelmusik des 20. Jahrhunderts sowie des Internationalen Orgelsommers Potsdam, ließen sich davon nicht schrecken. Und genossen, was ihnen der Stendaler Domkantor Johannes Schymalla auf der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche vorspielte. Es war ein sinfonisch geprägtes Programm, das eines klangprächtigen Instruments bedarf. Daran fehlt es hörbar nicht! Und auch nicht am Wollen und Können, Messiaens erstes zyklisches Werk „L“Ascension“, die 1934 entstandenen Meditationen über die Himmelfahrt, durchdacht auszuloten.

Mit Christi Bitte Christi um Verherrlichung durch seinen Vater beginnt die intervallreiche Abfolge voller Gedankentiefe, dissonanter Überraschungen, religiös-mystischer Assoziationen und kaum geahnter konstruktiver Freiheiten. Für die Diskantlagen wählt Johannes Schymalla leuchtkräftige Register. Er setzt das Schwellwerk reichlich ein, führt die dynamischen Wechsel von Pianissimo zum Fortissimo überaus wirkungsvoll vor, ehe das Ganze sich ins Jubelnd-Erwartungsfrohe steigert. Mit den später für Messiaen so typischen gläsern klingenden „Tröpfelketten“ hebt der rhythmisch vertrackte Lobpreis der Seele an. Scharftönige Mixturen für die ätherischen Höhen sorgen für die etwas unwirklichen Wirkungen. Diesem visionären Abschnitt sind manche besinnliche, flötenlieblich getönte Stimmen beigemischt.

Grell und extrem in der Dynamik (dreifaches Forte) wie in den Intervallen führt sich im dritten Teil die Verzückung einer Seele vor. Eine Toccata, strahlend zwischen stählerner Härte und jubilierender Höhe. Sehr beeindruckend. Im abschließenden Gebet Christi herrschen verinnerlichte Stimmungen vor, die langsam voranschreiten und mit viel Gebrauch des Tremulanten nach oben streben, sozusagen die Himmelfahrt symbolisierend. Ein lange ausgehaltener hoher Ton steht für das Angekommensein beim Vater. Und beim Klangmaler Messiaen, der in diesem Jahr seinen Hundertsten hätte begehen können.

Nicht angekommen ist der Organist dagegen bei Johann Sebastian Bach, dessen Präludium und Fuge e-Moll BWV 548 er eingangs spielt: kraftvoll, durchgängig hell und scharf klingend registriert, mit Füßen und Händen im nervtötenden Dauerforte hingemeißelt, dass es den Ohren alsbald überdrüssig wird. Mit dem Charme einer ratternden Nähmaschine, dem Gefühlsreichtum eines Kühlschranks offenbart sich eine spielerische Vordergründigkeit, die den mathematischen Verstand zwar kitzelt, die Seele allerdings zum Fremdgehen ermuntert. Erschreckend die auch bei anderen Orgelsommer-Konzerten gewonnene Erkenntnis, dass die jüngere Organistengeneration mit Bach kaum etwas Überzeugendes anzufangen versteht. Von spannender Artikulation ganz zu schweigen.

Mit Adagio und Vivace aus der 6. Orgelsymphonie von Charles-Marie Widor kann Schymalla wieder überzeugen. Lieblich erklingt das Adagio als ein warmgetönter Lingualgesang. Durchdringend, toccatentypisch, mit aparter Echowirkung, hymnisch und glanzvoll verströmt sich das Vivace in aller Herrlichkeit. 3:0 für die Schuke-Orgel! Das Fußballspiel brachte es nur auf ein Unentschieden.

Peter Buske

Peter Buske

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