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Kultur: Gedenken und sich freuen

Zur heutigen Benefizgala für den Bau einer Neuen Synagoge in Potsdam

Stand:

Auch in Potsdam wurde am 9. November 1938 während der „Reichskristallnacht“ eine Synagoge geschändet, die am damaligen Wilhelmplatz (heute Platz der Einheit). Sechseinhalb Jahre später, während des britischen Bombardements auf Potsdam, brannte das jüdische Gotteshaus völlig aus.

1776 wurde am Wilhelmplatz das erste jüdische Gotteshaus geweiht, 16 Jahre später musste bereits ein größeres gebaut werden und 1898 entschloss sich die Gemeinde wiederum zu einem Neubau. Der damals bekannte Architekt Julius Otto Kerwien entschied sich für eine neobarocke Gestalt.

Von 1938 bis 1990 gab es nur zwei Erinnerungsstätten in Potsdam, die an jüdisches Leben erinnerten: Der Jüdische Friedhof am Pfingstberg und eine Gedenktafel an einem Wohnhaus am Platz der Einheit, dort, wo die Synagoge stand.

Vor 15 Jahren sammelte sich wieder eine Jüdische Gemeinde in Potsdam. Vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion kamen jüdische Immigranten nach Deutschland. In Potsdam leben heute etwa 800 Menschen jüdischen Glaubens. In einem Beton-Gebäude aus der DDR-Zeit in der Schlossstraße 7 hat die Gemeinde Räume erhalten. Doch Juden ohne Synagoge? Dies ist schwer vorstellbar.

Die Neue Synagoge wird in der Schlossstraße gebaut, an dem Ort, wo bis heute noch das Bürogebäude steht, das aber abgerissen werden soll. Für die Errichtung des Gotteshauses ist Geld vonnöten, viel sogar. Darum veranstaltet der Bauverein Neue Synagoge Potsdam e.V. heute im Nikolaisaal eine Benefizgala. Das Neue Kammerorchester Potsdam unter der Leitung des israelischen Dirigenten Ud Joffe sowie das Duo Rubin sind unter anderen dabei, auch der Schauspieler Günter Junghans, der unter anderen die berühmte Ringparabel aus Gotthold Ephraim Lessings Schauspiel „Nathan der Weise“ sprechen wird.

Neben der Hoffnung und die Freude über einen geplanten Neubau einer Synagoge hat solch eine Veranstaltung gedenkenden Charakter, auch an die Novembertage des Jahres 1938.

Gedenken, sich erinnern, nicht vergessen: Der 9. November 1938 ist Teil unserer Vergangenheit, der Geschichte der Deutschen. Er war ein Vorgriff auf Künftiges, Schreckliches, wenn auch vielen es damals noch nicht bewusst war. Weit mehr als 200 Synagogen brannten, dann auch deutsche Städte. „Es war die erste Ruine, die Nelly in ihrem Leben sah. Vielleicht kannte sie das Wort noch nicht, ganz sicher nicht die Zusammensetzungen, die es später erfuhr: Ruinenstadt, Ruinenlandschaft ...“, schreibt Christa Wolf in ihren Roman „Kindheitsmuster“.

Wir wissen es längst: die brennenden Synagogen waren die Vorläufer des Holocaust, die Anfänge des Bösen. Die Deutschen in ihrer Mehrheit, auch die Christen, ließen es geschehen. Mehr noch: sie versuchten das Deutschtum und das Christentum zu vermählen. Das heißt, dem eigenen Frieden den Schalom aller zu opfern.

Der längst verordnete Hass auf die Juden nahm 1938 seinen unheilbaren Lauf: Ab 12. November durften Juden die Theater, Konzerte und Kinos nicht mehr besuchen, am 3. Dezember zwang man sie, ihre Geschäfte, Betriebe und Grundstücke zu verkaufen, ab 1. Januar 1939 mussten zusätzliche Zwangsvornamen „Israel“ für Männer und „Sara“ für Frauen getragen werden ...

In Potsdam lebten zu dieser Zeit nur noch 175 „Glaubensjuden, 1925 waren es über 400. Ein Teil von ihnen konnte aber Deutschland auf dem Fluchtwege verlassen. Am 11. Januar1942 brachte man 42 jüdische Männer, Frauen und Kinder auf dem Lastkraftwagen nach Berlin, von dort nach Riga, wo man sie ermordete.

„Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd“, heißt es in „Kindheitsmuster“.

Wir können das Geschehen nicht von uns abtrennen. Aber leider ist das Vergangene auch wieder Gegenwart. Das Engagement für den Bau einer neuen Synagoge ist ein Zeichen dafür, dass Vorurteile, Misstrauen oder sogar Hasspropaganda gegen jüdische Mitbürger seitens Ewiggestriger keinen Platz in Potsdam haben.

Spendengala zum Bau der Neuen Synagoge Potsdam heute um 19.30 Uhr im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße. Die PNN vergeben 15 x 2 Freikarten. Heute zwischen 11 und 11.30 Uhr kann man die Eintrittskarten unter der Telefonnummer 0331/2376116 abrufen.

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