Kultur: Gefühlsindustrie
Im Filmmuseum starteten die film.talks über Produktionen aus Babelsberg
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Die Chefin vom Potsdamer Filmmuseum Bärbel Dalichow freut sich über den Aufschwung, den das Studio Babelsberg gerade verspürt. „Wir sind das Museum für das Studio“, erklärt sie selbstbewusst den rund einhundert Zuschauern, die zum ersten Film-Talk über die neuesten Produktionen aus Babelsberg erschienen sind. Läuft das Geschäft in den Studios, hat auch ihr Museum wieder mehr Sinn. Und endlich wird wieder an die lange Erfolgstradition des Studiogeländes angeknüpft.
Elf große Produktionen werden auf dem ehemaligen Ufa- und Defa-Gelände dieses Jahr gestemmt, nachdem im letzten Jahr gerade zwei abgewickelt wurden. Grund genug, den Glanz der Weltstars auch in die Stadt zu lenken und mit den film.talks einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Den Anfang machte Stefan Ruzowitzky beklemmendes Nazi-Drama „Die Fälscher“, eine Babelsberger Produktion, die von Österreich gerade für den Oscar vorgeschlagen wurde. Seine Wirkung hemmte zunächst das Gespräch zwischen Moderatorin Sabine Schicketanz von den PNN, Henning Molfenter, Produzent der Studio Babelsberg Motion Pictures GmbH und dem österreichischen Regisseur. Es passe nicht zueinander, hieß es emotional aufgewühlt aus dem Publikum, nach so einem eindrucksvollen Film über den Überlebenskampf in einem Konzentrationslager über wirtschaftliche Erfolge reden zu wollen.
Aber ist diese mitfühlende Reaktion nicht gerade Ausdruck des neuen Erfolgsrezepts? Ruzowitzky, der nach dem Fälscher gerade die knapp zehn Millionen teure Kinderfilmproduktion „Hexe Lilli“ in Babelsberg beendet hat, beschrieb seinen Wunsch, einen Film über die NS-Verbrechen zu machen, der in hohem Maße „accessible“ wäre. Leider gäbe es dafür im Deutschen nicht die richtige Entsprechung. „Zugänglich“ vielleicht am ehesten. Der Zuschauer solle aus der Perspektive des genialen Geldfälschers Sorowitsch die Möglichkeiten bekommen, sich mit den moralischen Positionen zu identifizieren. Ums eigene Überleben kämpfen, und damit den Verbrechern helfen, oder Prinzipientreue, die den eigenen Tod einschließt wie auch den der Gefährten?
Aus Stefan Ruzowitzkys Worten ging hervor, was moderne Filmemachen auszeichnet. Sie muss eine Gefühlsindustrie sein, die minutiös die ästhetische Wirkung der Bilder kalkuliert. Die eigentliche Produktion in den Studios von Babelsberg habe der Regisseur weniger emotional erlebt als die Arbeit zuvor am Drehbuch. Das Drehen sei „professionelles Handwerk“. Nur, als die Komparsen in blau-weißer KZ-Kleidung während einer Drehpause Handys und Schokoriegel aus ihren Kitteln holten und als die beiden letzten Augenzeugen der „Operation Bernhard“ am Set waren, wurde er nachdenklich.
Und was ist das neue Erfolgsrezept des Studios? Sicher steckt hinter der besten Zeit des Studios seit der Wende auch der neue Deutsche Filmförderfonds, der pauschal 20 Prozent aller Produktionskosten übernehme, die in Deutschland anfallen, sagte Henning Molfenter. Damit ließe sich der eigentliche Standortnachteil, wegen der hohen Lohnkosten eigentlich 30 bis 50 Prozent teurer zu sein als die Konkurrenz in Spanien oder Tschechien, ganz gut abfedern. Dafür bekomme der Auftraggeber Kreativität und Sicherheit in Babelsberg. Ein wichtiger Punkt, wo doch ein Drehtag wie bei der Stauffenberg-Verfilmung mit Tom Cruise leicht eine halbe Million Dollar kosten könnte. Henning Molfenter erklärte auch, wie das Studio „sehr viel Geld“, das durch Koproduktionen für Filme wie „In 80 Tagen um die Welt“ an den Kinokassen verdient wurde, in neue Filme investieren werde. So werde man es auch mit „The International“, im dem Tom Tykwer Regie führen wird, und „Der Vorleser“ mit Nicole Kidman halten.
Auch Stefan Ruzowitzky hielt die neue deutsche Filmfinanzierung für einen der wichtigsten Standortfaktoren. „Aber auch die Atmosphäre des Filmstudiogeländes ist etwas Großartiges“, Tom Cruise, der in der Halle nebenan sein Set aufbaute, habe er leider aber verpasst.
Der momentane Erfolg hat aber auch seinen Preis. Eine Publikumsfrage kam von einem Tischler, der Jahrzehnte im Studio gearbeitet hat und nun mit 38 Kollegen entlassen wurde. Ob man Aussicht auf Wiedereinstellung habe, wenn alles so gut läuft? Henning Molfenter erwiderte, sicher, als freier Mitarbeiter. Das müsse nicht das Schlechteste sein, er selbst sei auch als freier Mitarbeiter für das Studio tätig.
Matthais Hassenpflug
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