Kultur: Gefühlsinhalt auf einer Saite
Matyas Wolter hat in Indien die Sitar für sich entdeckt / Konzert beim Festival of India
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Wie es ihn gepackt hat, darüber verliert Matyas Wolter wenig Worte. Er ist nach Indien gereist, hat sich einen Lehrer gesucht und angefangen, die Sitar zu spielen. Dass es ihn aber gepackt hat, hört man, wenn er spielt.
Matyas Wolter hat mit einer leichten Erkältung zu kämpfen. Trotz Sonnenschein und sommerlicher Temperaturen trägt er einen Schal während des Gesprächs. Der Klimawechsel macht ihm noch zu schaffen. Dreieinhalb Monate hatte er wieder in Indien verbracht, im Haus seines Lehrers Subroto Roy Chowdhury in Kalkutta. Erst Ende April ist er nach Potsdam zurückgekommen. Am Freitag wird er um 16 Uhr beim Festival of India in der Lindenstraße ein Konzert auf der Sitar, dem traditionellen indischen Saiteninstrument geben.
Seit drei Jahren verbringt der 29-Jährige jeden Winter in Kalkutta. Intensives Studium seines Instrumentes, absolutes Eintauchen in die klassische indische Musik. Bis zu acht Stunden täglich beschäftigt sich Matyas Wolter dort mit der Sitar. Dazu gehört auch, seinem Lehrer beim Üben zuzuhören. Denn fast alles bei dieser Musik vermittelt sich über das Hören.
„Es gibt keine Grundlagenwerke über die Theorie, wie wir das in der westlichen klassischen Musik kennen. Diese Musik wird in mündlicher Tradition überliefert“, sagt Wolter. Darum sei es besonders wichtig, dass zwischen Lehrer und Schüler ein besonderes Verhältnis bestehe. Seinen Lehrer Subroto Roy Chowdhury hat Matyas Wolter in Berlin kennen gelernt.
„Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal in Indien auf einer Sitar spielte, wusste ich, dass dies mein Instrument ist.“ In einem Urlaubsort hatte Wolter erste technische Grundlagen bei einem Lehrer erlernt. Zurück nach Potsdam nahm er bei Subroto Roy Chowdhury in Berlin, wohin der Lehrer seit 29 Jahren regelmäßig für ein paar Monate kommt, eine Stunde. Was Subroto Roy Chowdhury damals sah und hörte, muss ihn überzeugt haben.
Es sind wenige Töne, die den typischen, so eigenwilligen Klang der Sitar ausmachen. 18 Saiten hat das Instrument, das Matyas Wolter spielt. Doch nur eine davon wird gegriffen. Einige schwingen nur als Art Resonanzsaiten mit, andere werden leer angeschlagen. Raga nennen sich die Stücke, die auf der Sitar, entweder solo oder begleitet von anderen Instrumenten, vor allem von den kleinen Handtrommeln, den Tabla, gespielt werden. „Das, was den Geist färbt“, übersetzt Wolter das Wort Raga.
„Zwischen fünf und sieben Töne, wie Tonleitern, umfasst ein Raga“, so Wolter. Sie reichen, um einen solchen Raga bis zu einer Stunde lang zu spielen. Ein paar vorgegebene Melodien und Ornamente und viel Improvisation zeichnen diese Musik aus. Das Gespielte sei purer „Gefühlsinhalt“, die Auseinandersetzung mit der Sitar sei immer eine spirituelle Auseinandersetzung. Vielleicht deshalb die so wichtige persönliche Verbindung zwischen Lehrer und Schüler, Wolters regelmäßige und lange Aufenthalte in Indien.
Bevor Matyas Wolter die Sitar entdeckte, studierte er in Berlin Musikwissenschaften, spielte verschiedene Instrumente und suchte damals schon die Improvisation. Doch erst auf der Sitar hat er seinen eigenen Weg gefunden. „Aber es wird noch lange dauern, bis ich es vielleicht zur Meisterschaft bringe.“ Dann nimmt er sich sein Instrument, stimmt die Saiten und fängt an zu spielen. Und es braucht nur wenige Töne, um selbst zu spüren, wie stark ihn die Sitar gepackt hat.
Die Ausstellung „Indian Lifestyle - Möbel, Stoffe und Geschichten“ wird heute, um 18 Uhr, im Rahmen des Festival of India in den Bahnhofspassagen eröffnet.
Dirk Becker
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