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Kultur: Gegen Ausgrenzung

Robert Gallinowski spielt in „Die satanischen Verse“ von Salman Rushdie eine Hauptrolle

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Es ist wohl der berühmteste Roman, den keiner kennt. Robert Gallinowski hatte ihn nach seinem Erscheinen 1988 wenigstens einmal quer gelesen, „um zu wissen, worüber sich viele aufregen.“ Ab Sonntag spielt der Schauspieler auf der Bühne des Hans Otto Theaters nun selbst in jenen „Satanischen Versen“, für die der Autor Salman Rushdie vom ehemaligen iranischen Staatschef Khomeini mit der Fatwa belegt wurde. Damit rief das religiöse Oberhaupt die Muslime in aller Welt zur Tötung des Schriftstellers auf.

„Eigentlich geht es nur um zwei Verse, die zum Verbot des Buches führten: Und zwar sagt ein Prophet namens Mahound, dass es neben Allah, dem einzigen Gott, noch drei weitere Göttinnen gebe, die verehrungswürdig seien. Wenig später widerruft er allerdings diesen Satz und behauptet, dass der Teufel in Gestalt des Erzengels ihm diese Worte eingegeben hätte.“ Bei seinem kurzzeitigen Infragestellen des Monotheismus spielen indes weltliche Gelüste eine Rolle: und zwar die Aussicht auf einen Ratssitz in der Stadt und die größere Akzeptanz bei breiten Schichten der Bevölkerung. Kompromisse, die einem Propheten nicht zustehen.

Doch für Robert Gallinowski ist die Aufführung der „Satanischen Verse“ eine wunderbare Möglichkeit, „dass wir Europäer mit dem Koran und Islam, gemeinsam mit dem Publikum, in ein Zwiegespräch treten. Wir erheben uns nicht darüber, sondern wir informieren. Ich bin durch die Probenarbeit kein Koran-Spezialist geworden, aber ein vages Bild wurde plastischer, erhielt eine gewisse Körperlichkeit.“ Oft bedarf es eben auch einer Provokation, wie eben Rushdies Kritik an der Ausgrenzung von Menschen fremder Kulturen, um auf Dinge aufmerksam zu werden.

Die Arbeit an dem Stück, in dem er den indischen Schauspieler Gibril und in den Traumszenen den „Propheten“ Mahound spielt, habe jedenfalls seine Meinung zum Islam verändert: „Meine Abwehr, geschürt durch extremistische Vertreter, ist in eine große Zuneigung umgeschlagen. Nach meiner bescheidenen Interpretation ist der Koran ein bedeutendes Buch, wenn man die Dinge nicht dogmatisch interpretiert. Es enthält wunderbare Lebensvorschläge, wenn man aus der Hermetik heraustritt. Ich sehe es mit Ehrfurcht und Respekt.“

Doch die Inszenierung sei keine kopflastige, didaktische Lehrstunde in Sachen Religion, sondern ein opulenter Theaterabend mit vielen Spielangeboten, betont Robert Gallinowski, der lange Zeit am Deutschen Theater in großen Rollen zu sehen war und jetzt auch in seinem ersten großen Kinofilm „Frei nach Plan“ von Franziska Meletzky überzeugt.

Der über 700 Seiten umfassende Roman Rushdies wurde von Regisseur Uwe Eric Laufenberg und Marcus Mislin für die Uraufführung am Hans Otto Theater auf knapp 100 Seiten „eingedampft“. „Eine Dramatisierung ist natürlich immer ein Risiko, aber ich finde es toll, dass viele Fragen, die uns derzeit durch den Irak und Afghanistan bewegen, durch die Theaterfassung noch deutlicher und konzentrierter hervor treten. Der 20 Jahre alte Roman wird durch dieses Herausschälen der Kernaussagen zu einem zeitgenössischen Stück. Natürlich auch, weil sich die Welt nicht viel verändert hat.“ Rushdies ironisierender und scharfzüngiger Ton sorge dafür, dass das Publikum nicht von der Last der Bedeutung erschlagen werde, ist sich Gallinowski sicher.

„Die Art und Weise, wie Rushdi arbeitet, mit welchem Humor er zwischenmenschliche Themen, wie Liebe und Nächstenliebe, Religion und Politik aufgreift, das steht in der Tradition von James Joyce. Und es entblättert sich eine fabelhafte Vielfalt wie in den Märchen aus 1001 Nacht.“

Trotz der Straffung müsse sich das Publikum auf fast vier Stunden (einschließlich Pause) einlassen. „Ich bin in meinem ehemaligen Berliner Stammhaus auf Kürze konditioniert, aber ich finde es auch gut, wieder auf eine traditionalistische Länge zurückzukehren. Als Zuschauer steigt man ein, vielleicht kurz auch wieder aus, aber sicher bleibt man dran. Als Schauspieler habe ich jedenfalls kein Problem mit der Länge, natürlich abhängig von meiner Tagesform,“ so der in sich ruhende Darsteller.

Robert Gallinowski ist sich sicher, dass die Zuschauer auch ohne religiöses Vorwissen das vielschichtige Werk verstehen: das, was die Figuren bewegt. Durch die zwei Hauptfiguren Gibril und Saladin – beide aus Indien stammende, erfolgreiche Schauspieler, mit Wohnsitz in England – gibt es einen klaren Erzählstrang. Sie überleben wie durch ein Wunder einen Flugzeugabsturz, nachdem die Maschine von militanten Sikhs in die Luft gesprengt wurde. Beide durchschreiten eine Art Metamorphose: Gibril sieht sich als Erzengel (Gabriel), Saladin (gespielt von Tobias Rott) als Teufel.

Und wie hält es Robert Gallinowski selbst mit der Religion? „Ich bin durchaus ein religiöser Mensch, allerdings ohne konfessionelle Bindung. Jedweder künstlerische Beruf ist für mich religiös, nicht weil wir etwas predigen oder missionieren sollten, sondern weil jede geistige Auseinandersetzung mit existenziellen und metaphysischen Dingen auch in theologische Bereiche zielt, dort, wo sich die Fragen verbinden.“

Robert Gallinowski sucht vielfältige künstlerische Auseinandersetzungen, seit fünf Jahren auch wieder malerisch. Dabei geht es ihm aber nicht ums Illustrieren oder Geschichten erzählen. Seine Bilder haben einen abstrakten, introspektiven Charakter. Schon als junger Mann wollte der gebürtige Baden-Württemberger Maler werden. „Nach einem kleinen Zerwürfnis mit meinem Vater, der ebenfalls Maler ist, entschied ich mich aber für die Theaterhochschule Ernst Busch.“

Heute ist der 39-jährige Darsteller aus Fernseh-Krimis wie Tatort, Bella Block und Polizeiruf bekannt, vor allem aber durch seine Charakterrollen am Deutschen Theater. Dass er jetzt das Festengagement löste, hat mit den vielen Neigungen zu tun. „Wenn ich nicht Theater spiele, drehe oder male, jazze ich am Schlagzeug.“ Und auch die Familie in Berlin mit seinem kleinen Sohn soll nicht zu kurz kommen.

„Langfristig interessiert mich zudem die Regie“: Nach der Premiere am Sonntag widmet er sich wieder den Studenten an der Babelsberger Filmhochschule. Dort bereitet er mit den Absolventen die Abschlussinszenierung von Shakespeares „Sturm“ vor, die am 7. Juli in der Reithalle A Premiere hat. Seine Regieambitionen bedeuten aber nicht, dass er die Schauspielerei aufgeben möchte. „Egal, was man tut, es sollte zum Sich-Zentrieren führen.“ Und zu solch“ wichtigen Lebensfragen: „Was für eine Art Idee ist Gott? Was für eine Idee bin ich?“, so wie sie sich Gibril in den Satanischen Versen stellt.

Uraufführung am Sonntag, 30. März, 15 Uhr im neuen Haus des HOT.

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