Kultur: Geisterbeschwörung
Das T-Werk lädt zur 1. Langen Nacht der schaurig-schönen Geschichten: Götter, Geister und Dämonen
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Aus den Figuren spricht der Tod. Skelettartig greift er Raum. Wie bei dem Pfau, der durch seine gespreizte Federpracht der Finsternis aber durchaus einen Farbtupfer aufzusetzen versteht. „Bizarr, poetisch, morbid – ein zwischen Düsternis und Komik oszillierender Totentanz“, so beschreibt ein Kritiker das „figuren theater tübingen“, das der „Langen Nacht der schaurig-schönen Geschichten“ im T-Werk am Samstag die Geisterkrone aufsetzen will. Die in Szene gesetzte „Flamingo Bar“ ist eine Reise in die Nacht. Es wird keine wirkliche Geschichte erzählt, Musik und Rhythmus bestimmen den Ort der Illusion, an dem aus lebloser Materie lebendig-groteske Wesen entstehen. „In dem Theater von Frank Soehnle, dem großen Impulsgeber des Figurentheaters, ist der Tod immer präsent. ,Flamingo Bar“ ist eines der ersten und schönsten Stücke, mit dem die Tübinger bereits weltweit unterwegs waren“, sagt der künstlerische Leiter des T-Werks, Jens-Uwe Sprengel.
Auch die anderen acht Inszenierungen versprechen, die Zuschauer in einen beklemmend-fantasievollen Sog zu ziehen. Es ist das erste Mal, das an einem grauen Novemberabend „Götter, Geister und Dämonen“ vereint ihr mystisches Spiel treiben dürfen.
Besonders gruselig dürfte es beim „Schwarzen Kater“ werden: einer Lesung mit Musik nach einem Text von Edgar Allen Poe. Da sticht der trunksüchtige Ehemann dem Kater seiner Frau ein Auge aus und wird von nun an vom Unglück verfolgt. Der Kater wird zum Spiegelbild der inneren Zerrissenheit des Mannes, der zu immer neuen grauenvollen Taten getrieben wird, schließlich sogar zum Mord an die eigene Frau. „Am Ende wird der Kater mit samt der Frau eingemauert. Eine wirkliche Schauergeschichte“, so Sprengel, der diese Lesung mit Timo Sturm und Uwe Steinmetz in Szene setzt. Gemeinsam mit dem Theater Nadi erarbeitet er zudem „Das Gasthaus mit den vielen Aufträgen“, das in deutscher und japanischer Sprache gelesen wird. Darin begeben sich zwei ahnungslose Großstädter in die Berge, um zu jagen. Als erstes kommt ihnen der begleitende Jäger abhanden, dann verenden ihre teuren Hunde. Und in dem Restaurant „Zum Luchs – Europäische Küche“ scheint es ihnen dann selbst an den Kragen zu gehen. Doch plötzlich brechen die wiederauferstandenen Hunde durch die Tür und der Alptraum verschwindet. „Es ist eine ganz andere Philosophie und Sichtweise hinter diesem japanischen Kunstmärchen als die uns vertraute, europäische klassische Struktur.“ Die Lange Nacht will durch Facettenreichtum schillern, Phantasie und Träume beschwören.
Das T-Werk scheint sich geradezu auf lange Nächte zu spezialisieren, schließlich gibt es bereits die Märchennacht, die Lange Nacht der freien Theater und seit dem gerade beendeten Unidram auch die Nacht der Experimente.
„Das Interesse des Publikums ist bei einer solch“ geballten Ladung Theater sehr viel größer als bei normalen Gastspielen. Es gibt viele Angebote, aus denen man auswählen kann und das Ganze ist eingebettet in einen kommunikativen Rahmen, der Platz lässt für Gespräche bei einem Glas Wein. Wir haben auch schon versucht, Theater und Konzerte zu kombinieren. Das wurde nicht so gut angenommen. Unser Publikum scheint mehr auf Theater fixiert zu sein“, betont Sprengel. Und davon gibt es Samstag die Fülle. So auch Goethes Ballade vom Fischer im Bauch eines Kinderwagens, die zwielichtigen Gestalten Morgensterns auf der Suche nach dem Galgenberg oder die verteufelte Kugel vom Freischütz in Miniaturform. Hier schaut der Grusel nicht als Skelett, sondern ganz aus Papier ins T-Werk hinein.
Lange Nacht am 18. 11., 17 bis 24 Uhr, T-Werk, Karten 12 / erm. 8/6/4 €.
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