Kultur: Gelassener Rebell
Erich Langjahr im Filmmuseum Potsdam
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Als der Regisseur Erich Langjahr 1996 im November bei der Duisburger Filmwoche seine „Sennen-Ballade“ präsentierte, griffen ihn die kritischen Deutschen mit der Bemerkung an, dass es „so schön“ doch gar nicht sein könne. In wunderbar elegischen Bildern erlebt man die Sennerei auf einer scheinbar idyllischen Schweizer Alm, deren letzte Erscheinungsform der Filmemacher dokumentierte. Wie aus einem Mund riefen da seine anwesenden Schweizer Kollegen „Doch, s’isch so, s’isch so“ und manifestierten dadurch einen kulturellen Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz. Nun zeigt das Filmmuseum Potsdam eine Werkschau des Schweizer Dokumentaristen.
Erich Langjahrs Filme haben einen langen Atem, egal, ob er das Schöne oder das Hässliche zeigt, und „Bauernkrieg“ aus dem Jahr 1998 kann man sicher nicht vorwerfen, dass er idyllisiere. Da geht es nämlich um das allmähliche Verschwinden des Bauernstandes in der flachen Schweiz, um GATT-Verhandlungen und Gegendemonstrationen, um künstliche Befruchtung und um die Fleischmehlproduktion.
Wie in seinen anderen Filmen verzichtet Erich Langjahr auf jeglichen Kommentar aus dem Off, die Bilder sprechen für sich. Das, was bei „Sennen-Ballade“ die ästhetische Freude verlängerte – die Langsamkeit der Bilder, das allmähliche Eindringen des Kameraauges in seinen Gegenstand – wird in „Bauernkrieg“ quälend, kaum auszuhalten, eine Anklage. Eine Anklage gegen den Zustand der Welt. Denn das, was man da sieht, kann man auch auf andere Bereiche ausdehnen, wie eine Zuschauerin beim Filmgespräch mit dem Regisseur am Donnerstagabend bemerkte. Vor allem aber ist es eine Anklage gegen die perversen Methoden der Viehzüchtung. Wenn der Tierarzt seinen langen Arm in das „Gebärmutterhorn“ versenkt und ihn dort hin und her bewegt, wenn die ernsthaften Männer in den Petri-Schalen nach Embryonen suchen, wenn die Kamera die künstlichen Vulven für die Zuchtstiere ins Visier nimmt, mag das alles ja noch eine leicht humorige Seite haben. Wenn dann aber in der Tiermehlfabrik der Blick auf den „Knochenbrecher“-Hebel gezwungen wird, und man zuvor minutenlang den aus den Kadavern gewonnenen Fett-, Knochen- und Gedärmteilen vor dem Zermalmen dabei zusieht, wie sie als unendliche Massen aus irgendwelchen Höhen in die Maschine gedrungen werden, rebellieren sowohl Magen, als auch Moral.
Es ist kaum auszuhalten, und man hält es nur deshalb aus, weil man sich sagt, das ist unsere Realität. Das ist das, was letztendlich, nachdem die Pflanzen fressenden Tiere das aus ihren Artgenossen hergestellte Fleischmehl verdaut haben, auch in unseren Magen kommt. Und man schwört sich, nie mehr Fleisch zu kaufen, dessen Herkunft man nicht genauestens kennt. Und man versteht, weshalb nur wenig Interessierte sich mit diesem Film auseinandersetzen wollten an ihrem Feierabend. So genau möchte man die Dinge nicht wissen. Doch Erich Langjahr macht nicht mit bei der stillschweigenden Übereinkunft der Gesellschaft gegen die Würde der Tiere, gegen die Würde der Menschen.
Erich Langjahr sei ein Rebell, sagte nach der Vorführung von „Bauernkrieg“ im Filmmuseum sein DEFA-Kollege Eduard Schreiner, der es während der dreiviertelstündigen Diskussion in schönster Unhöflichkeit fertig brachte, die ebenfalls auf dem Podium anwesende Lebensgefährtin und Arbeitskollegin Langjahrs, Silvia Haselbeck, weitgehend zu ignorieren. Schreiner schaute den Schweizer aus feurigen Augen an. Dieser nahm alles gelassen, behauptete gar, er sei kein Kämpfer, forderte aber, dass „jeder einen Garten“ haben müsse. Denn so, wie es aktuell sei, könne das doch wohl nicht das Ende der Weisheit bedeuten. Einfacher und gemächlicher kann man die Entfremdung und Denaturierung des Menschen nicht ausdrücken.
Das Filmmuseum Potsdam zeigt noch bis Ende des Monats einige Filme von Erich Langjahr, dem Ethnographen einer untergehenden Kultur.
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