Von Gerold Paul: Gelungener Auftakt
Ein „Dialog der Künste“ bei den „intersonanzen“ in einer gut besuchten Galerie Sperl
Stand:
Allerhöchste Eisenbahn, dem Original im Zeitalter seiner grenzenlosen Reproduzierbarkeit noch eine Chance zu geben! Besonders in Potsdam, wo es sich mit einer hochveredelten Festspiel-Kultur, der historischen Aufführungspraxis sowie dem Bach-Kult ganz kommod leben lässt. Die zehnte Auflage der „intersonanzen“ wird daran wohl nicht viel ändern, dafür gibt das „Brandenburgische Fest der neuen Musik“, das am Donnerstag mit einem „Dialog der Künste“ eröffnet wurde, dem Original wieder kräftig Aufwind – in der neuen Sperl-Galerie am Platz der Einheit, im „Obelisk“, im Filmmuseum und sogar auf der Straße. Überall da will der eingeborene „Verein neue Musik“ auf neue Musik-Tendenzen aufmerksam machen.
„Oben und unten, innen und außen“ waren den rührigen Streitern um Vereins-Chef und Mitorganisator der „intersonanzen“, Michael Schenk, am Donnerstag die Koordinaten für eine gutbesuchte Eröffnungsveranstaltung im Hause Sperl. Damen in der Überzahl, sehr viel Jugend. Wahrlich, was sich in den zwei Etagen der einstigen Humboldt-Buchhandlung mit Improvisationskraft und Freundlichkeit in diesem „Dialog der Künste“ öffnete, war schon eine Wucht.
Gleich zu Beginn näherte sich „unten“ die großartige Sopranistin Klara Li dem Publikum im Zeitlupenschritt, bevor sie, auf dem Fenstersims sitzend, vom Leben sang: „Nutz’ die Dir gegebene Zeit!“ Udo Koloska improvisierte dieser „Begegnung“ mit Saxophon und computergestützten Klangbildern seinen Anteil hinzu. Über den Versuch einer Parallelität von Klavierstimme und elektronischem Zeichenstift, wie es Susanne Stelzenbach und Betina Kuntzsch probierten, ist nicht viel zu sagen. Die Sachen lagen bei dieser Art Begegnung der Künste zu dicht beieinander, weniger Ton, oder weniger Stift hätten der Sache genützt.
„Oben“ stellte Katharina Hanstedt „Nachtgesang für Izanagi“ für Harfe Solo vor, die Komponistin Mayako Kubo war bei dieser Uraufführung – eine von 25 in den vier Tagen des Festivals – anwesend. Es scheint, als hätte die Japanerin alles Dissonante, Harte, Klopfende um eine harmonische Mitte herumkomponiert – beeindruckend, inmitten der düsteren Argonautenbilder von Hans Hendrik Grimmling. Eine weitere Uraufführung für Harfe und Flöten war genauso archaisch wie der mythologische Wettstreit des Satyrn Marsyas mit dem feinsinnigen Gott Apoll. Über viele Oktaven ausgetragen, endete er damit, dass Apoll seinem Gegner lebend die Häute abzog, die misstönende Piccoloflöte zeigte das an. Eine sehr dynamische Komposition, wachsende Verzweiflung des Dämons genauso zeigend wie einen Apoll, der immer zorniger die Harfensaiten zupft. Komponist Klaus Schöpp behauptete freilich, das Werk sei lediglich aus vielen Zitaten „anverwandelt“ worden. Mit seinem „Laokoon/Torsi“ für Oktobassflöte Solo wollte er sich einen „plastischen Klangraum für mythologische Vorahnung“ und Katastrophen schaffen, vielleicht mit zu vielen Gedanken.
„Unten“ gab es noch einen Dialog, den man ruhig etwas witziger hätte vortragen können. „Etüde“ von Helmut Zapf für zwei Violinen (Antje Messerschmidt, Iris Mencke) erinnerte an das Gezänk zweier Fischweiber, die einfach nicht Frieden schließen wollen. „Sling“ zuletzt außen, vor der Tür der Galerie Sperl, dazu mit halbem Mond: Ein superhaftes Mittelding zwischen Musik und Sprache, zwischen Sinn und Unsinn, Vernunft und DaDa, zumal Martin G. Schmid und Pèter Köszeghy ihren Dialog-Part auch noch in Schutzanzügen vortrugen. Ihre Beine in Farbeimern. Am Ende watschelten sie wie Pat und Paterchon gen Havel davon, grüne und braune Spuren hinterlassend. Über so viel tätiges Leben kann man sich da nur freuen.
Das Festival „intersonanzen“ findet noch bis einschließlich Sonntag statt. Informationen zum Programm im Internet unter www.intersonanzen.de
Gerold Paul
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