zum Hauptinhalt

Kultur: Gerechtigkeit vor Wahrheit

Rabbiner Walter Homolka zu Gast beim Potsdamer Hochschulgottesdienst

Stand:

Interreligiöse Gespräche sind im Kommen, auch an der Havel. „Toleranz der Religion“ war das Thema, dem sich der erste Potsdamer Hochschulgottesdienst im angebrochenen Wintersemester widmete. In der Friedenskirche im Park Sanssouci referiete dazu vergangenen Sonntag Reformrabbiner Walter Homolka, der an der Universität Potsdam das Abraham Geiger Kolleg leitet. Auf deutsch-jüdischer Seite gilt Homolka schon jetzt als Theologe der neuen Generation, zugleich sehr stark in der Tradition des Vorkriegs-Rabbiners und Holocaust-Überlebenden Leo Baeck verwurzelt.

Rabbiner Homolka ist bekannt für vielfältiges interreligiöse Engagement – einschließlich guter Kontakte zu moderaten muslimischen Theologen –, er weiß sich im Bedarfsfall aber auch abzugrenzen und die Rolle des scharfen Kritikers einzunehmen. So hatte er seine Teilnahme am Katholikentag in Osnabrück im Mai 2008 ausdrücklich abgesagt, nachdem Papst Benedikt XVI. einer Neufassung der Karfreitagsfürbitte „für die Erleuchtung der Juden“ grünes Licht gegeben hatte. Die Katholische Kirche habe „ihre antisemitischen Tendenzen nicht im Griff“, kommentierte Homolka damals nüchtern.

Dass der 44jährige Reformrabbiner aber auch ein Mann der versöhnlichen, fast schon vorsichtigen Worte sein kann, bewies seine jetzige Ansprache in der Friedenskirche. Den Toleranzgedanken zwischen den monotheistischen Religionen rollte er anhand eines jüdischen Selbstverständnisses auf, dass sich auf geistige Größen wie Maimonides, Moses Mendelssohn und eben auch Leo Baeck beruft.

Rabbiner Homolka ging nicht explizit auf intellektuelle Kritiker ein, die dem religiösen Judentum einen exklusiven Anspruch als „auserwähltes Volk“ vorwerfen. Vielmehr belegte er mit Zitaten aus dem Talmud, dass nach der Halacha lebende Juden und an den „Noachidischen Geboten“ – einem allgemein-zivilisatorischen Moralkodex - orientierte Nichtjuden vor Gott in gleicher Weise als "Gerechte" gelten. Von Psalm 97 („Die Himmel verkünden seine Gerechtigkeit, und alle Völker sehen seine Ehre“) leitete der Gastredner dann über auf Leo Baeck, der „das Reich Gottes“ als eine „zu erschaffende Gerechtigkeit“ beschrieben hatte. Und die vielleicht wichtigste Botschaft Leo Baecks an nachfolgende Generationen unterschiedlichsten Glaubens: Die sittliche Tat sei wichtiger als das Ringen nach Wahrheit.

In erfrischender Weise nahm Walter Homolka dann auf das heutige Neben- und Miteinander von Christentum und Judentum Bezug. Keine der beiden Religionen habe „ein Monopol auf das Verständnis des Willens Gottes“, vielmehr gäbe es unterschiedliche, gleichermaßen wertvolle Wege zur Wahrheitsfindung. „An der Universität Potsdam“, so der Rabbiner und Forschungsdirektor, „charakterisiert dieses Verständnis die Zusammenarbeit von christlichen und jüdischen Religionswissenschaftlern“.

Die Gastgeber der Potsdamer Hochschulgottesdienste, Studentenpfarrer Hans-Georg Baaske und Uni-Professor Johann Hafner, dankten Walter Homolka ausdrücklich für seine reformjüdische Standortbestimmung. Nach Homolkas transparentem Vortrag wünscht sich der unvoreingenommene Zuhörer nun adäquat dargebotene Perspektiven aus evangelischer, katholischer und vielleicht auch muslimischer Sicht.

Ein umfassender Dialog – wenn nicht sogar „Trialog“ – könnte beginnen. Gerade in Potsdam, wo Toleranz nicht nur historisiert und diskutiert, sondern auch erprobt werden soll. Olaf Glöckner

Der nächste Potsdamer Hochschulgottesdienst im Wintersemester 2008/2009 findet am 7. Dezember , 18 Uhr, wiederum in der Friedenskirche statt. Als Gast wird der Potsdamer Politologe Heinz Kleger (Universität Potsdam) erwartet, er spricht zum Thema „Toleranz der Demokratie“.

Olaf Glöckner D

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })