Von Heidi Jäger: Gerodet
Dennis Oppenheims Kunstwäldchen in der Schiffbauergasse wird demontiert. Jetzt reden die Erben
Stand:
Vier große Bäume sind bereits gefällt, die sechs kleineren folgen in den kommenden Wochen. Die bizarren Gewächse aus grazil gebogenen Metallstämmen und Blüten aus Hundehütten oder Wäschekörben, die der international renommierte Dennis Oppenheim vor drei Jahren in die Schiffbauergasse „pflanzte“, sollen zurück nach New York verschifft werden. Dort sitzen die Erben des im Januar dieses Jahres verstorbenen Künstlers. Sie wollen die „alternative landscape components“ nicht länger in der Verfügungsgewalt des Trollwerk-Kunstvereins belassen, der sich bislang um die Bäume kümmerte.
Diese sind ein „Überbleibsel“ der großen spannenden Werkschau Dennis Oppenheims, die im Sommer 2008 im Kunstraum stattfand und vom Trollwerk mitorganisiert wurde.
Das künstliche Wäldchen, das sich als provokanter Blickfang vor dem Museum Fluxus+ ausbreitet, hätte von der Stadt für 50 000 Euro, in Raten zahlbar, gekauft werden können. „Ein Schnäppchenpreis für einen Künstler, der in der Oberliga spielt“, meint Vereinschef Rico Heidler und betont, dass Trollwerk in der Stadt keinen Verbündeten gefunden habe, der sich für die Plastiken stark macht. „Wir sehen natürlich auch die finanziellen Zwänge. Andere Kulturträger müssen Leute entlassen, weil sie unterfördert sind“, räumt Heidler ein.
Wie Birgit-Katharine Seemann, Fachbereichsleiterin Kultur und Museum, auf PNN-Nachfrage sagte, betrage der Etat für Bildende Kunst im öffentlichen Raum jährlich 6000 Euro. „Damit ist bei Oppenheim nichts auszurichten. Hätte der Beirat für Kunst im öffentlichen Raum indes seine Empfehlung ausgesprochen, hätte man sich für ein Sponsoring stark machen können.“ Doch der Beirat unter dem Vorsitz von Jutta Götzmann, der Direktorin des Potsdam Museums, stand dem Kunstwerk offensichtlich eher skeptisch gegenüber. Er bemängelte die Standsicherheit, meinte, die Skulpturen seien nicht für draußen geeignet und schlug vor, den seiner Meinung nach zu dichten Wald auszudünnen, also das Ensemble zu zerreißen, so Rico Heidler. „Der Beirat machte sich nicht einmal die Mühe, mit uns zu reden, er hat nur Informationen angefordert“, kritisiert Heidler.
Am gestrigen Donnerstag sollte nun eine Anhörung der Trollwerk-Vertreter im Kulturausschuss stattfinden. Doch der Brief der Oppenheim-Erben machte dies überflüssig. „Durch den Anspruch der Erben ist eine neue Situation eingetreten. Mich persönlich würde es sehr schmerzen, wenn die Kunstwerke aus der Schiffbauergasse verschwinden. Sie sind ein Blickfang. Aber ich sehe wenig Möglichkeiten, da einzugreifen. Wir müssen die Ideen der Erben abwarten, zu welchen Konditionen sie sich vermarkten und ob sie auch mit großen Museen verhandeln“, so Birgit-Katharine Seemann. Sie habe von Rico Heidler vor wenigen Tagen die Mail bekommen, dass die Erben sämtliche Werke einziehen wollen. „Für mich bedeutet das, dass alles nach New York geht. Man kann aber durchaus am Ball bleiben, zumal Potsdam mit Oppenheim eine Tradition hat“, sagt die Fachbereichsleiterin. In spätestens 30 Tagen soll ein Brief der Erben beim Trollwerk zum weiteren Vorgehen eingehen.
Der Verein fühlt sich mittlerweile in seinem Bemühen um Oppenheim überfordert: „Zeit, Geld und Kraft sind erschöpft. Diesen Kraftakt, gegen einen Beirat und die Erbengemeinschaft anzugehen, für Plastiken, die offensichtlich keiner recht will, schaffen wir nicht.“ Zumal Trollwerk auch eine Ausstellung im Container auf dem Schirrhof vorbereitet.
Auch der Verein hatte sich um Sponsoren für den Kauf des Wäldchens bemüht, aber alle Versuche seien fehlgeschlagen. „Und mit der Stadt mussten wir um jeden Cent feilschen.“ Schon bei der Einfuhr des Materials für das Kunstwerk ging der Verein mit 1500 Euro in Vorleistung. „Wir waren im offenen Rechtsverhältnis und hatten von Dennis Oppenheim nur per Mail den Auftrag, das Kunstwerk zu verwalten und wenn möglich zu verkaufen. Am besten natürlich an die Stadt Potsdam.“ Der Verein hätte die Plastiken auch deutschlandweit für Oppenheim verkaufen können, „aber wir wollten sie an diesem Standort belassen, zumal wir täglich sehen, wenn wir aus dem Fenster schauen, wie groß die Resonanz ist.“
Doch mit ihrem Engagement blieb Trollwerk allein auf weiter Flur. „Endlose Diskussionsschleifen seit drei Jahren. Alles verschleppte sich von Beirat zu Beirat,“ betont Heidler. 2010 habe der Verein schließlich einen Nutzungsvertrag durchsetzen können und erhielt von der Stadt 2500 Euro für die Wartung und Versicherung. Doch diese Vereinbarung lief zum Jahresende aus. Jetzt wären 5000 Euro nötig gewesen, um die kürzlich beim Sturm beschädigten Bäume zu reparieren. Mit dem Sicherheitsrisiko und Druck aus Amerika konfrontiert, bauten die Trollwerker vorsichtshalber schon jetzt die gefährdetsten Objekte ab. Denn sämtliche Vereinbarungen mit Dennis Oppenheim gelten nicht mehr. „Uns sind die rechtlichen Grundlagen entzogen und damit können wir keine Entscheidungen mehr fällen.“ Rico Heidler sieht nur noch eine Chance: „Wenn eine klare Kauf- oder Pachtabsicht besteht, und sich die Stadt zu den Plastiken bekennt, kann es vielleicht doch noch eine Wendung geben. Zumal sich auch der Oberbürgermeister positiv zu Oppenheim ausgesprochen hat, als der Künstler starb.“ Doch die Stadt beruft sich auf den Beirat. „Dort ist das künstlerische Know How. Die Verwaltung möchte sich nicht dem Vorwurf ausliefern, sie entscheidet willkürlich“, sagt Birgit-Katharine Seemann. Die restlichen sechs Bäume stehen also noch so lange, bis die Antwort der Erben kommt. „In einem Monat wissen wir mehr“, so Rico Heidler.
Die einmalige Chance, mit international anerkannter Kunst im Außenraum auf sich aufmerksam zu machen, scheint vertan. Oppenheims Werke, die überall auf der Welt ihren Platz gefunden haben, kann oder will sich Potsdam offensichtlich nicht leisten.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: